Nach dem von der Bundeswehr angeforderten NATO-Luftangriff in Afghanistan mit bis zu 72 Toten ist am Samstag ein Anschlag auf die deutschen Truppen verübt worden. Nach ersten Erkenntnissen hat sich ein Selbstmordattentäter vermutlich in seinen Auto in die Luft gesprengt, als ein deutscher Bundeswehr-Konvoi sechs Kilometer nordöstlich von Kundus die Stelle passierte. Mindestens ein Fahrzeug sei beschädigt worden. Außerdem war von vier leicht verletzten Soldaten die Rede.
Im nahe gelegenen Bundeswehrstützpunkt sei die Wucht der Explosion zu spüren gewesen, meldete dort ein Journalist der Nachrichtenagentur AP. Es sei mitgeteilt worden, dass der Stützpunkt Ziel eines Anschlags gewesen sei. Die afghanischen Behörden bestätigten eine Detonation bei Kundus, der örtliche Polizeichef Abdullah Rasak Jakuubi sprach von einem Selbstmordanschlag. Die Taliban bekannten sich zu der Tat. Ihr Sprecher Sabiullah Mudschahid sagte, der Selbstmordattentäter stamme aus dem Unruhedistrikt Char Darah.
Ermittlungen nach Luftangriff
Bereits am Vortag war es nach dem Luftangriff zu einem Schusswechsel zwischen deutschen Soldaten und Aufständischen gekommen, als ein Untersuchungsteam den Ort des Luftschlags überprüfte. Extremisten griffen dort die Soldaten an, diese erwiderten nach Bundeswehrangaben das Feuer. Die deutschen Truppen hatten die Nato-Luftunterstützung nach einem Taliban-Überfall auf zwei ihrer Tanklastzüge angefordert, um einem großen Anschlag auf die Bundeswehr vorzubeugen, wie Verteidigungsstaatssekretär Thomas Kossendey erklärte.
Zur Zahl der Opfer gab es widersprüchliche Angaben. Der Bundeswehr zufolge wurden ausschließlich Aufständische getötet - vermutlich rund 50 Taliban-Kämpfer. Nach afghanischen Angaben kamen aber auch viele Zivilpersonen ums Leben. Der Gouverneur der betroffenen Gegend, Mohammed Omar, gab die Zahl der Opfer mit mindestens 72 an. Etwa 30 von ihnen seien als Aufständische identifiziert worden.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen schloss die Möglichkeit ziviler Opfer nicht aus und kündigte eine gründliche Untersuchung an. Ein zehnköpfiges Ermittlerteam der Nato nahm am Samstag den Ort des Luftangriffs in Augenschein und besuchte das Krankenhaus von Kundus, wo Verletzte behandelt wurden. Der stellvertretende UN-Vertreter in Afghanistan, Peter Galbraith, forderte Ermittlungen zu dem Luftangriff.
Bundeswehr forderte US-Kampfjet an
Die Aufständischen hatten die beiden Tanklastzüge an einem vorgetäuschten Kontrollpunkt ungefähr sieben Kilometer südwestlich des Bundeswehrstützpunktes gekapert. Eine Drohne habe die Entführer verfolgt und mit der Kamera 67 Taliban-Kämpfer registriert, aber keine Zivilpersonen, verlautete aus Bundeswehrkreisen in Kundus. Daraufhin sei ein US-Kampfjet angefordert worden.
Der Angriff erfolgte gegen 02.30 Uhr Ortszeit, 40 Minuten nach der Kaperung. Die Tanklaster waren bei der Überquerung eines Flusses auf einer Sandbank steckengeblieben. Treffer des Kampfflugzeugs ließen die beiden Fahrzeuge in Flammen aufgehen. Der afghanischen Polizei zufolge handelt es sich bei den zivilen Opfern um Personen, die Treibstoff aus den Tankern abgezapft haben sollen.