Die USA hatten im Vorfeld des Besuches von Mahmud Ahmadinedschad noch einmal ihren Bündnispartner Türkei davor gewarnt, die wirtschaftlichen Boykotte gegen Iran mit einem Alleingang nicht zu untergraben. Auch Israel kritisierte die Türkei in ihrer Entscheidung den iranischen Präsidenten zu empfangen. Denn der Iran leugnet den Holocaust und erkennt Israel als Staat nicht an. Die Türkei und der Iran planten im Rahmen dieses Besuches ihre Kooperationen im Energiesektor auszuweiten. Wichtige Abschlüsse über Erdgaslieferungen und Pipelineprojekte waren schon ausgehandelt und sollten in diesen zwei Tagen von beiden Seiten unterzeichnet werden. Ganz überraschend meldete gestern der türkische Nachrichtensender NTV mit Berufung auf offizielle Quellen, die Verträge über ein umfangreiches Energieabkommen seien bis auf Weiteres auf Eis gelegt worden.
Abhängig vom Erdgas
Vor allem die Abhängigkeit der Türkei vom Erdgas und wirtschaftliche Interessen dürften den türkischen Präsidenten Gül zu der Einladung bewegt haben. Die Türkei nutzt das Erdgas der Nachbarländer für die Stromerzeugung. Nach Russland ist Iran wichtigster Erdgaslieferant. Angeblich wegen "Engpässen" im eigenen Land hat der iranische Nachbar bereits einige Male in der Vergangenheit den Gashahn abgedreht. Eine stabile und kontinuierlich steigende Lieferungszusage erhofft sich die Türkei durch diesen Besuch vom Nachbarland.
"Wir begrüßen jede Bemühung der Türkei in diesem Konflikt", betonte der iranische Präsident gestern in einem Interview mit türkischen Nachrichtensendern in Teheran auf die Frage, ob der anhaltende Atomkonflikt mit den Westmächten Gesprächsthema sein werde. Auch wenn die westlichen Verbündeten nicht direkt von einer Vermittlerrolle der Türkei in diesem Konflikt sprechen, so erhoffen sie sich jedoch durch ein muslimisches Land einen "besseren Zugang" zu der islamischen Republik. Unter der Regierung Erdogan versucht die Türkei sich in ihrer Außenpolitik verstärkt als Brücke zwischen Ost und West zu definieren. Dadurch will sie sich in der konfliktreichen Region als Gesprächspartner für alle profilieren. Erst kürzlich vermittelte sie zwischen Isreal und Syrien.
Die Türkei will im Atomkonflikt vermitteln
Auch im eigenen Interesse unternimmt die Türkei intensive Anstrengungen den nuklearen Konflikt friedlich beizulegen. Das Scheitern der Verhandlungen im Atomkonflikt könnte zum einen die Sicherheit zum Nachbarland gefährden und zum anderen das ehrgeizige Vorhaben zum Scheitern bringen, die Energiedrehscheibe Europas zu werden. Der für 2010 geplante Bau der Nabucco Pipeline soll durch die Türkei führen und die künftige Gasversorgung Europas sichern. Durch die Pipeline soll Erdgas aus dem Kaukasus und dem Iran fließen.
Großer Bogen um Atatürk
Lange hat Ahmadinedschad auf eine Einladung in das Nachbarland gewartet. Bei dem Arbeitsbesuch in Istanbul schlägt er aber einen großen Bogen um das Mausoleum des Staatsgründers Atatürk in Ankara. Eigentlich ein Pflichtbesuch für jeden Staatsgast. Die Istanbuler erfreut dieser Umweg überhaupt nicht. Wieder sind die Straßen vom Flughafen zum Palast am Bosporus gesperrt. Warten bei 30 Grad im Stau. So wie der Taxifahrer Cengiz werden wahrscheinlich viele andere in der Schlange den Gast aus dem Iran nicht gerade willkommen heißen: "Mir ist es egal, ob der Mann Geld oder Gas oder Öl in unser Land bringt. Er hat keinen Respekt vor uns und unserem Atatürk." Auch Ertugrul wartet ungeduldig auf die Weiterfahrt. Er muß dringend eine Lieferung an Aquarien zum Kunden am anderen Ende der Stadt bringen: "Ich traue ihm nicht, er tanzt uns auf der Nase rum,"meint er zu Ahmadinedschad.