Algerien "Sie wollen den Gottesstaat"

Nach der Heimkehr von 17 befreiten Geiseln aus der algerischen Sahara gibt es erste genauere Angaben über die Verschleppung. Die Sorge gilt nun den 15 noch immer Vermissten. Zehn von ihnen sind Deutsche.

Nach der Heimkehr von 17 befreiten Geiseln aus der algerischen Sahara am Mittwochabend gilt die Sorge nun den 15 noch immer Verschleppten. Zehn von ihnen sind Deutsche. Ihr Schicksal ist weiter ungewiss. Nach einem Bericht des ZDF Morgen Magazins am Donnerstag sollen die Behörden in Algerien über den Verbleib der Geiseln Bescheid wissen. Ein Reporter sprach davon, sie könnten sich an der libyschen Grenze befinden.

Das Auswärtige Amt in Berlin sagte, es gebe keinen neuen Stand seit Mittwochabend. Man wolle sich nicht weiter äußern.

Erste Schilderungen der Geiselnahme

Der Österreicher Gerhard Wintersteller hat erstmals die dramatische Geiselnahme in Algerien und die ständige Flucht der Terroristen mit ihren Gefangenen vor dem Militär geschildert. In einem Exklusiv-Interview mit dem RTL Nachtjournal sagte die befreite Geisel in der Nacht zum Donnerstag: "Es war so, dass von der Gefangennahme weg wir jeden Tag auf der Flucht waren, sind ohne Licht in der Nacht gefahren....Wir sind vier Tage lang gefahren bis zu einem Wadi (wasserloses Flusstal). Und in diesem Wadi wurden wir dann versteckt gehalten, vier oder fünf Tage. Und dann ab dort wurden wir verlegt in ein anderes Wadi, wieder einige Tage festgehalten in diesem Wadi und dann wurden die Intervalle immer kürzer. Sie spürten, dass das Militär denen auf den Fersen ist." Sie seien jede Nacht auf der Flucht gewesen. "Wir waren am Ende unserer physischen Kräfte, konnten einfach nicht mehr. Wenn es dann hieß gegen zwei Uhr, drei Uhr, so hier lagern wir, wir fielen tot um und verbrachten so die letzten Nachtstunden."

Zur Geiselnahme selbst sagte Wintersteller: "Wir waren eine Gruppe von vier Autos, fuhren quer durch die Sahara,...Es kam mir ein deutsches Geländeauto entgegen, ein Touristenauto, und wir fuhren gegenseitig aufeinander zu. Es ist so der Brauch in der Sahara, wenn man sich begegnet, man tauscht Neuigkeiten aus....Doch der Schreck war riesengroß, als ich bei dem Auto stehen blieb, sprangen sofort acht Terroristen raus, hielten uns die Kalaschnikows vor die Nase und wir mussten uns sofort zu Boden werfen. Und sie rissen uns den Autoschlüssel aus den Händen...Es war eine echte Geiselnahme. Wir wurden eben dann gefangen genommen und als Geiseln benutzt."

"Sie wollen die Regierung stürzen"

Nicht äußern wollte sich Wintersteller zu den Umständen der Geiselhaft und der Befreiungsaktion, damit könnte er seinen 15 Leidensgenossen schaden, die immer noch in der Gewalt der Entführer waren. Nach seiner Ansicht handelte es sich bei den Geiselnehmern um islamistische Terroristen. "Sie beteten jeden Tag und erklärten uns, sie wollen den Gottesstaat in Algerien einführen, sie wollen die Regierung stürzen."

DPA