Jetzt gehen die Demokraten also aufs Ganze. Was anderes blieb ihnen auch nicht mehr übrig, nach all den Wochen der Ermittlungen und Befragungen. Von dem rund einem Dutzend angehörten Beteiligten an der Ukraine-Affäre haben so gut wie alle die Vorwürfe gegen Donald Trump bestätigt. Für die Opposition ist sein Amtsmissbrauch nun erwiesen, weswegen sie den 45. Präsidenten der USA anklagen und des Amts entheben wollen. "Die Fakten sind klar. Die Verfassung ist klar. Der Präsident hat gegen die Verfassung verstoßen", sagte Nancy Pelosi, die Oppositionsführerin. Sie war es, die sich lange gegen ein solches Verfahren gestemmt hatte. Denn das Risiko, dass sie und ihre Demokraten am Ende als große Verlierer dastehen, besteht nach wie vor.
Impeachment noch nie erfolgreich
Ein Amtsenthebungsverfahren ist das schärfste Schwert der Opposition gegen den US-Präsidenten. Noch nie in der Geschichte der USA war es erfolgreich. Im Gegenteil. Das letzte Mal, als ein Staatsoberhaupt auf diese Weise rausgekegelt werden sollte – Bill Clinton 1998 – hatten sich die federführenden Republikaner bei den anschließenden Wahlen die Finger verbrannt. Denn das Volk hatte den Eindruck, dass hier ein unliebsames Staatsoberhaupt entsorgt werden sollte, nicht aber ein krimineller Verfassungsfeind. Ähnlich nachgestellt fühlt sich auch Donald Trump. Hexenjagd nennt er die Ermittlungen gegen sich.
Die Vorwürfe damals und heute sind kaum miteinander zu vergleichen: Clinton hatte wegen einer außerehelichen Affäre gelogen, Trump soll staatliche Gelder als Druckmittel eingesetzt haben, damit gegen einen möglichen Gegner ermittelt wird. Drei von vier offiziell einbestellten Verfassungsrechtler sind überzeugt, dass sich der Präsident schuldig gemacht habe. Einer nicht, allerdings aus eher formalen Gründen. Trump hatte im Zuge der Ermittlungen zudem Zeugen per Twitter unter Druck gesetzt und seinen eigenen Leuten einen Maulkorb verpasst. Die Demokraten hatten kaum noch eine andere Wahl als Anklage zu erheben. Es ist der nächste, der entscheidende Schritt.
Hauchdünne Mehrheit für Amtsenthebung
Die Amerikaner selbst sind in der Frage gespalten. Eine dünne Mehrheit von 47,8 zu 44 Prozent befürwortet das Amtsenthebungsverfahren. Doch für eine tatsächliche Amtsenthebung, also das Entfernen Trumps aus dem Weißen Haus, gibt es nur noch die hauchdünne Mehrheit von 46,8 zu 44,5 Prozent. Es ist also durchaus ein Unterschied, ob man dem Staatsoberhaupt auf die Finger schaut, oder ob man es deswegen gleich aus dem Weißen Haus werfen muss. Auf eine überwältigende Rückendeckung braucht die Opposition jedenfalls nicht zu hoffen.
Das ist umso misslicher, als das das Impeachment kein juristischer Prozess ist. Es gibt kein Ende mit dem Spruch eines unabhängigen Richters oder eines Geschworenenkreises. Es ist ein politischer Prozess, der politisch entschieden wird – in diesem Fall im Senat, der zweiten Kongresskammer, in der die Regierungspartei die Mehrheit hat. Recht bekommt nicht der, der im Recht sein könnte, sondern der, der es durchsetzen kann. Und das werden die republikanischen Senatoren sein. Die Demokraten wissen das natürlich, weswegen sie sich die lästige Frage gefallen lassen müssen, warum sie überhaupt in eine Schlacht ziehen, die sie absehbar nicht werden gewinnen können.
Nancy Pelosi unternimmt daher alles, um den Eindruck zu zerstreuen, dass dass Impeachment persönlich motiviert sei. Würde jetzt nichts unternommen, so die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, "würde jedem zukünftigen US-Präsidenten signalisiert werden, dass unsere Demokratie tot ist". Vermutlich hat sie damit Recht, doch solche verfassungstheoretischen Erwägungen haben in den USA derzeit nur wenig Konjunktur. Und es spricht auch nichts dafür, dass sie für das Hochhalten amerikanischer Werte irgendjemand feiern wird. Im Gegenteil. Möglicherweise wenden sich Bürger bei der Wahl im November sogar von ihnen ab, weil ihnen das stumpfe Daueranrennen gegen die Figur Trump zuwider ist.
Mit Glück bleibt der Graben tief
Die einzige realistische Hoffnung, der sich die Demokraten hingeben können, ist, dass der große amerikanische Graben so bleibt wie er ist: tief. Trumper bleiben Trumper, Never-Trumper bleiben Never-Trumper. Der Präsident ist historisch unbeliebt, das aber schon seit Jahren und auf dem gleichen Niveau. Keine Russland-Affäre und keine Ukraine-Affäre hat daran etwas geändert. Auch die Umfragewerte sprechen seit Trumps Amtsantritt so gut wie immer für die demokratischen Kandidaten. Das Land hört einfach nicht mit dem Blinzelspiel auf, obwohl alle in einer Tour zwinkern. Auch ein Amtsenthebungsverfahren, die schärfste wie (bislang) wirkungsloseste aller Waffen, schafft es nicht, Bewegung in die USA zu bringen.
Quellen: DPA, AFP, Fivethirtyeight, Realclearpolitics, Donald Trump auf Twitter