Die britische Regierung hat eine breit angelegte Kampagne gegen Übergewicht und Fettleibigkeit in der Bevölkerung gestartet. Wenn es nach dem Willen von Premierminister Boris Johnson geht, soll jeder übergewichtige Brite 2,5 Kilogramm abnehmen. Dies fördere die Gesundheit und könne dem staatlichen Nationalen Gesundheitsdienst NHS mehr als 100 Millionen Pfund (fast 110 Millionen Euro) an Kosten in den nächsten fünf Jahren sparen, schrieb Gesundheitsminister Matt Hancock am Montag im "Telegraph".
Zum Start der Gesundheitskampagne räumte der schwergewichtige Premier Boris Johnson ein, wie sehr er mit seinen Kilos kämpfe. Er habe aber seit seiner überstandenen Covid-19-Lungenerkrankung mindestens sechs Kilo abgenommen. Davor sei sein Gewicht immer "hoch- und runtergegangen", sagte Johnson in einem auf Twitter verbreiteten Video. Nun gehe er täglich mit Hund Dilyn spazieren.
Anfangs sei er ziemlich langsam gewesen, aber er werde immer fitter und habe sein Tempo gesteigert, berichtete Johnson weiter. "Es gibt gesundheitliche Gründe, aber man fühlt sich auch einfach besser."
Kalorienangaben und Werbeverbote
Die Kampagne der Regierung sagt vor allem Zucker und Fett den Kampf an. Werbung für Junkfood im Fernsehen soll künftig erst spätabends erlaubt sein. Auf Weinflaschen und Bierdosen muss den Plänen zufolge der Kaloriengehalt der Getränke verzeichnet sein. Restaurant- und Café-Betriebe mit mehr als 250 Beschäftigten sollen dazu verpflichtet werden, auf ihren Speisekarten die Kalorienwerte anzugeben.
Zudem könnte Supermärkten künftig verboten werden, Rabatte auf ungesunde Nahrungsmittel anzubieten. Auch sollen sie solche Waren nicht mehr an besonders sichtbaren Stellen wie den Eingängen und Kassen platzieren dürfen. Ärzte werden ermutigt, übergewichtigen Patienten Fitnesstraining zu verschreiben.
Außerdem will die britische Regierung das Radfahren massiv fördern. Dazu sollen tausende Kilometer neue Radwege gebaut werden, wie die Regierung von Premierminister Boris Johnson am Montag ankündigte. Mit Gutscheinen über 50 Pfund (55 Euro) soll die Reparatur alter Fahrräder gefördert werden. Insgesamt will die Regierung in die "Revolution des Radfahrens und Gehens" im Land zwei Milliarden Pfund investieren.
In Großbritannien haben nach Regierungsangaben fast zwei Drittel der Erwachsenen ein Körpergewicht, das als nicht mehr gesund gilt. 36 Prozent von ihnen leiden demnach an Übergewicht und 28 Prozent an Fettleibigkeit. Jedes dritte Kind im Alter zwischen zehn und elf Jahren ist diesen Angaben zufolge übergewichtig oder fettleibig. Den Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zufolge sind in Europa nur die Finnen und die Portugiesen übergewichtiger als die Briten.
Fettleibigkeit erhöht das Sterberisiko bei Covid-19-Erkrankung
Zu viele Kilos können diverse Erkrankungen wie Diabetes und Herzleiden fördern. Auch das Sterberisiko bei einer Covid-19-Erkrankung steigt an. Laut einer am Samstag veröffentlichten Studie der Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) erhöht Fettleibigkeit das Risiko, an der vom Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 zu sterben, um 40 Prozent. Acht Prozent der schwerstkranken Covid-Patienten wurden Analysen zufolge als krankhaft fettleibig eingestuft, innerhalb der Bevölkerung sind es nur drei Prozent.
"Covid-19 war für uns alle Weckruf zu den unmittelbaren und langfristigen Risiken von Übergewicht", sagte ein Regierungssprecher am Sonntag. Premierminister Boris Johnson sei überzeugt, "dass wir diesen Moment nutzen müssen, um gesünder und aktiver zu werden und uns besser zu ernähren".
"Gewicht zu verlieren ist hart, aber mit einigen kleinen Änderungen können wir uns alle fitter und gesünder fühlen", sagte Johnson, der nach seiner Virus-Infektion im April auf der Intensivstation behandelt werden musste.
"Meilenstein für die Gesundheit der Nation"
Johnson hatte Kampagnen der Regierung zugunsten einer stärkeren Gewichtskontrolle stets kritisiert. Nun aber warb er ausdrücklich für die Initiative und versicherte, niemand werde dabei "herumkommandiert" oder bevormundet.
Gesundheitsexperten begrüßten die Initiative. Die leitende Krebsforscherin Michelle Mitchell sprach von einem "Meilenstein für die Gesundheit der Nation".
Der gesundheitspolitische Sprecher der oppositionellen Labour-Partei, Alex Norris, kritisierte hingegen, die neue Kampagne liefere kaum mehr als "große Versprechungen". Eine wirksame Strategie gegen Fettleibigkeit aber "braucht Taten".