Italienische Textilarbeiter sollen Geld von der EU erhalten: 35 Millionen Euro aus dem Globalisierungsfonds will Brüssel bereitstellen, um knapp 6000 Beschäftigten der schwindsüchtigen Branche bei der Suche nach einem neuen Job zu helfen. Das ist eine gute Entscheidung.
Nebenbei weckt die Kommissionsempfehlung pro Italien Erinnerungen, wann eigentlich zuletzt von dem Unterstützungsfonds für Globalisierungsopfer die Rede war: Es war Anfang des Jahres im Zusammenhang mit der Verlagerung der Nokia-Handyproduktion von Bochum nach Rumänien. Damals hatte Kommissionspräsident José Manuel Barroso in deutschen Blättern in Aussicht gestellt, auch die 2300 Bochumer Nokia-Mitarbeiter, die ihren Job einbüßten, könnten auf Geld aus Brüssel hoffen. Dem EU-Politiker brachte das Sympathiepunkte.
Johannes Röhrig
Johannes Röhrig ist stern-Korrespondent in Brüssel. In seiner Kolumne "Brüssel en bloc" schreibt er regelmäßig über Figuren, Hintergründe und Skurrilitäten im EU-Zirkus.
Doch das ist auch schon alles: Geld für die Nokia-Beschäftigten wird es wohl nicht geben. Allerdings wäre es ungerecht, die Schuldigen hierfür in Brüssel zu suchen. Die Verantwortung liegt in Berlin. Denn aus dem Globalisierungsfonds gibt es nur dann Geld, wenn das betroffene Mitgliedsland dies bei der EU beantragt. Ein solcher Antrag hätte von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) kommen müssen. Doch ein entsprechendes Schreiben, das bestätigen Ministerium und Kommission, liege "bislang" nicht vor.
Noch sind die Regeln des Globalisierungsfonds schwammig
Die Bundesregierung verspielt damit wertvolle Zeit. Bis dato sind die Vergabekriterien des Globalisierungsfonds (EGF) noch recht schwammig geregelt: Die Entlassungen müssen "strukturellen Veränderungen im Welthandelsgefüge" geschuldet sein. Diese Formulierung kommt Deutschland im Fall Nokia eigentlich entgegen, denn über das weltweite Lohndumping bei der Handymontage ließen sich vielleicht Argumente finden, wie die Fonds-Kriterien erfüllt werden können. Das ist nicht leicht. Einen Versuch jedoch wäre es wert gewesen.
Diese Möglichkeit ist bald verspielt. Nun will die Kommission die Regeln des Globalisierungsfonds verschärfen. Wenn sie sich bei den Mitgliedsländern damit durchsetzt, dann soll der Fonds explizit nur noch dann greifen, wenn eine Produktion aus der Europäischen Union abwandert. Betroffene eines Firmenumzugs in ein anderes EU-Land, wie im Nokia-Fall nach Rumänien, wären dann vom Fördertopf ausgeschossen. So ist der Fonds eigentlich heute schon gedacht; aber halt noch nicht ausdrücklich fixiert.
Die Regierung verspielt Zeit und Geld
Worauf wartet die Bundesregierung also? Auf schlechtere Zeiten? Vielleicht ist man in Berlin auf die Unterstützung aus Brüssel in Wirklichkeit gar nicht so scharf. Immerhin steuert die EU aus dem Globalisierungstopf nur maximal die Hälfte der erforderlichen Summen für Job-Projekte bei. Den Rest - da gibt es keinen Spielraum - muss der Antragsteller selbst bezahlen.
************************ Entscheidungen fallen in Brüssel nicht gerade im Eiltempo; oft geht ein Gesetzesvorschlag über Jahre durch die Instanzen. Wenn es um eine nette Geste geht, ist die Kommission hingegen nicht auf Parlament und Mitgliedsländer angewiesen und daher fix. Bisweilen zu fix, wie sich am vergangenen Sonntag zeigte.
Am Sonntagmorgen um 11.19 Uhr mitteleuropäischer Zeit schickte Kommissionspräsident José Manuel Barroso via Pressemitteilung seine "wärmsten Glückwünsche" an den vermeintlich neuen Ministerpräsidenten Japans, an den bisherigen Außenminister Taro Aso. Das Problem: Aso wurde erst an diesem Montag von seiner Partei für das Spitzenamt vorgeschlagen; die Wahl zum Ministerpräsidenten im Parlament steht erst am Mittwoch an.
Zwar zweifelte schon am Wochenende niemand mehr ernsthaft daran, dass der Politiker parteiintern das Rennen machen würde. Aber peinlich ist die Depesche der Kommission trotzdem. Immerhin dauerte es mehr als acht Stunden, bis in Brüssel auffiel, dass in Tokio ja noch gar nicht gewählt wurde. Sonntagabend kurz vor 20 Uhr zog die Kommission die warmen Glückwünsche zurück. Begründung für den Fauxpas: ein technisches Versehen.