Kann man, sollte man Katastrophen miteinander vergleichen? Eigentlich nicht. Zum einen, weil ein furchtbares Geschehen nicht dadurch weniger furchtbar wird, dass es ein noch schlimmeres Ereignis gibt. Zum anderen, weil die Umstände von Ereignissen, die katastrophale Folgen haben, sehr unterschiedlich sind - ob Krieg, Attentat, Naturkatastrophe oder eben eine Pandemie. Von den enormen Folgen, die ein katastrophales Geschehen auf das Leben einzelner Menschen haben kann, ganz zu schweigen.
Dennoch: Seit sich das Coronavirus auf der ganzen Welt ausbreitet, erleben wir Versuche, die nicht sichtbare, nicht fassbare Bedrohung kleinzureden. Sehr ausgeprägt ist diese Haltung bekanntlich in den USA, wo die Regierung von US-Präsident Donald Trump gegen den Rat führender Fachleute selbst kleinste Maßnahmen wie das Tagen von Schutzmasken lange Zeit abgelehnt hat und auf die Öffnung von Geschäften und Schulen dringt. Nun hat das Land laut den Angaben der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore die Marke von 150.000 Corona-Toten überschritten. In keinem anderen Staat sind mehr Menschen an einer Corona-Infektion gestorben.
Corona-Pandemie: Eine der großen US-Katastrophen
Doch was bedeutet diese nackte Zahl? Was sagt sie aus? So unterschiedlich historische Katastrophen auch sind, sie werden nicht zuletzt bewertet an den Totenzahlen, die sie verursacht haben. Und da zeigt sich: Entgegen allen Versuchen, die Infektionswelle zu verharmlosen, ist die Corona-Pandemie schon jetzt eine der größten Katastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten.
So reiht sich die Zahl von bisher 150.000 Corona-Toten in den USA ein (eine Auswahl):
675.000 Tote: Spanische Grippe
Auch von dieser "Mutter aller Pandemien" (1918 bis 1920) waren die USA stark betroffen. Weltweit sollen dem Virus 20 bis 50 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sein.
558.052 Tote: Amerikanischer Bürgerkrieg
Mehr als eine halbe Million Opfer in vier Jahren Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten (1861 bis 1865). Der Krieg wird vielfach als die ultimative Katastrophe der US-Gesellschaft beschrieben.

405.399 Tote: Zweiter Weltkrieg
In dem von Nazi-Deutschland begonnenen globalen Krieg (1939 bis 1945) kämpften US-Soldaten ab 1941. Einige Opfer waren erst 1946, nach dem offiziellen Kriegsende, zu beklagen.
150.713 Tote: Corona-Pandemie
Seit mehr als einem halben Jahr breitet sich das Virus Sars-CoV-2 auf dem Globus aus. Die USA sind mit aktuell mehr als 4,4 Millionen Infizierten am stärksten betroffen. Die Pandemie dauert an, die Zahlen steigen kontinuierlich.
116.516 Tote: Erster Weltkrieg
Insgesamt verloren 17 Millionen Menschen ihr Leben in dem von 1914 bis 1918 in Europa, dem Nahen Osten, Afrika, Ostasien und Ozeanien geführten Krieg. US-Soldaten waren 1917/18 im Einsatz.

58.220 Tote: Vietnam-Krieg
Mehr als eine halbe Million US-Soldaten kämpften von 1955 bis 1975 in dem Krieg, der in den späten 1960er-Jahren Friedensbewegung und Studentenproteste auslöste.
36.574 Tote: Korea-Krieg
In einem der größten Stellvertreterkriege des Kalten Krieges führten die USA von 1950 bis 1953 multinationale Truppen der Vereinten Nationen gegen eine Allianz aus Nordkorea und später China (mit Waffenhilfe der Sowjetunion).
4418 Tote: Irakkrieg bzw. Dritter Golfkrieg
Die zwischen März und Mai 2003 durch US- und britische Truppen ausgeführte "Operation Iraqi Freedom" beendete das Regime von Saddam Hussein.
2989 Tote: Anschläge vom 11. September
Zwei Passagierflugzeuge rasten in die Türme des ehemaligen World Trade Centers, die daraufhin einstürzten. Einige Historiker halten "9/11" für eine historische Zäsur. Die US-Regierung reagierte mit der "Operation Enduring Freedom" in Afghanistan (2001 bis 2014), der 2349 US-Soldaten zum Opfer fielen.
1836 Tote: Hurrikan "Katrina"
Der Stufe-5-Hurrikan verwüstete im August 2005 den Südosten der USA, vor allem Louisiana und New Orleans. Er gilt als eine der verheerendsten Naturkatastrophen der US-Geschichte.
Jährliche Todeszahlen durch Krankheiten
Die Schwere der Corona-Pandemie zeigt sich auch mit dem Blick auf US-Todeszahlen eines Jahres aufgrund anderer Krankheiten. Ein Blick auf die Angaben der zentralen US-Gesundheitsbhörde CDC zeigt die Größenordnung der aktuellen Corona-Todesrate. Die CDC weist auf ihrer Homepage als final gesichert derzeit die Zahlen für das Jahr 2017 aus. Mehr als 640.000 Amerikaner starben damals an einem Herzinfarkt, fast 600.000 an Krebs. Fast 170.000 starben bei Unfällen, 160.000 an chronischen Erkrankungen der Atemwege und mehr als 146.000 erlagen einem Schlaganfall. An einer Grippe oder Lungenentzündung, womit eine Corona-Infektion meist beschwichtigend verglichen wird, starben 2017 in den USA gut 55.000 Menschen.
Statistik der größten Kriege der USA; Statista; National Center for Health Statistics der CDC; Johns-Hopkins-Universität; Nachrichtenagentur DPA