Krieg in der Ukraine Degradiert und zwangsversetzt – ukrainischer Kommandeur verriet die wahren Verluste seiner Einheit

Ein ukrainischer Infanterist in den Trümmern von Bachmut.
Ein ukrainischer Infanterist in den Trümmern von Bachmut.
© Roman Chop / DPA
Die tatsächlichen Kriegsverluste der Ukraine sind das bestgehütete Geheimnis des Landes. In einem Interview mit der "Washington Post" hielt sich ein Frontkommandeur nicht zurück. Er sprach über die schrecklichen Verluste seiner Einheit. Dem Oberkommando in Kiew hat das nicht gefallen.

Bekannt ist der Kommandeur unter dem Callsign "Krupol". Sein Bataillon, das zur 46. Luftsturmbrigade gehört, verteidigte Bachmut und wurde dabei praktisch aufgerieben. Zu Beginn des Krieges bestand sein Bataillon aus 500 Mann, sie alle wurden inzwischen verletzt oder getötet, erzählte Krupol der "Washington Post". Er sei der letzte Profi in seiner Einheit. Das Bataillon sei immer wieder aufgefüllt worden, doch die neu eingezogenen Soldaten seien schlecht ausgebildet. Krupol beklagte, dass man ihm Männer schicke, die weder ein Gewehr abfeuern noch eine Handgranate werfen könnten.

"Das Wertvollste im Krieg ist Kampferfahrung", so Krupol. "Ein Soldat, der sechs Monate Kampf überlebt hat, und ein Soldat, der von einem Schießstand kommt, sind zwei verschiedene Soldaten. Es ist Himmel und Erde." "Und es gibt nur wenige Soldaten mit Kampferfahrung. Leider sind sie alle schon tot oder verwundet."

Wolfgang Richter, Oberst a.D.
Ein BM-21 Grad-Mehrfachraketenwerfer feuert auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Region Charkiw.
© Anatolii Stepanov / AFP / n-tv
Mögliches Kriegsende: "Auf einen Sieg-Frieden können weder Ukrainer noch Russen hoffen"

Nicht auf die Kämpfe vorbereitet

"Ich bekomme 100 neue Soldaten", sagte er dem Blatt. "Sie geben mir keine Zeit, sie vorzubereiten. Sie sagen: 'Nehme sie mit in die Schlacht.'" Auf die Kämpfe seien die Rekruten nicht vorbereitet: "Sie lassen einfach alles fallen und rennen weg. Das war's. Verstehen Sie, warum? Ein Soldat schießt nicht. Ich frage ihn, warum, und er sagt: 'Ich habe Angst vor dem Geräusch des Schusses.' Und aus irgendeinem Grund hat er noch nie eine Granate geworfen. ... Wir brauchen Nato-Ausbilder in allen unseren Ausbildungszentren, und unsere Ausbilder müssen in die Schützengräben geschickt werden. Denn sie haben bei ihrer Aufgabe versagt."

Das sind Erzählungen, wie man sie bislang nur von der Seite der russischen Invasoren kennt. Neben den Ausbildungsdefiziten herrscht Munitionsmangel an der Front. Selbst Gewehrmunition und Mörsergranaten würden fehlen. "Wir stehen an der Frontlinie. Sie kommen auf uns zu, und wir haben nichts, womit wir schießen können."

Krupol wollte die Armeeführung mit seinen offenen Worten wachrütteln. Stattdessen wurde er sofort degradiert. Inzwischen soll er das Militär verlassen haben.

Ein Sprecher des ukrainischen Militärs sagte, er habe "falsche Informationen verbreitet". "Die Verluste, die in der von ihm befehligten Einheit bekannt gegeben wurden, sind deutlich übertrieben."

Beide Seiten übertreiben die Verluste des Gegners und spielen die eigenen herunter. Für Kiew ist diese Version entscheidend. Das kleinere Land kann den Abnutzungskrieg gegen Russland nur durchhalten, wenn die Russen ungleich höhere Verluste erleiden als die Ukrainer.

kra