Den Haag Eklat am Internationalen Strafgerichtshof

Der vor fünf Jahren eröffnete Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat seinen ersten Prozess auf Eis gelegt: wegen schwerer Versäumnisse der Staatsanwaltschaft. Die Richter werfen der Anklagebehörde vor, mehr als 200 Dokumente nicht offen gelegt zu haben.

Eklat vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag: Das vor fünf Jahren eröffnete Gericht hat seinen ersten Prozess überhaupt am Montag wegen schwerer Versäumnisse der Staatsanwaltschaft unterbrochen. Das Gericht sollte über die Anklage gegen den kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga Dyilo verhandeln. Ihm wird unter anderem der brutale Einsatz von Kindersoldaten im Bürgerkrieg im Kongo vorgeworfen. In der kommenden Woche will der Strafgerichtshof nun darüber beraten, ob der Angeklagte freigelassen werden muss.

Die Richter werfen der Anklagebehörde vor, Lubanga und seinen Verteidigern entlastendes Material vorenthalten zu haben. Es gehe um mehr als 200 Dokumente, die die Staatsanwaltschaft unter anderem von den Vereinten Nationen unter dem Siegel der Vertraulichkeit erhalten habe. Dabei hätten die Ankläger einen Artikel im Statut des Gerichts "missbraucht", der ihnen die Möglichkeit gibt, Informationen geheim zu halten, wenn ein Informant darauf besteht. Dies ist eine Ausnahme von dem Prinzip, dass die Ankläger auch entlastendes Material offen legen müssen. Das Gericht betonte, dieses Prinzip sei grundlegender Bestandteil des Rechts eines Angeklagten auf ein faires Verfahren.

Lubanga, der auf unschuldig plädiert, ist der erste Angeklagte und der erste Häftling des Internationalen Strafgerichtshofs. Er sitzt seit 2006 in Haft.

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) im niederländischen Den Haag verfolgt schwerste Straftaten wie Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Gericht ist dann zuständig, wenn die Delikte nicht auf nationaler Ebene geahndet werden. Der IStGH wurde durch das sogenannte Römische Statut errichtet, das am 1. Juli 2002 in Kraft trat. Bisher haben 104 Staaten das Statut unterzeichnet und sich damit zur Zusammenarbeit verpflichtet, darunter alle Länder der EU und die Schweiz. Die USA, Russland, China und viele arabische Staaten lehnen das Gericht ab.

Der IStGH ist nicht zu verwechseln mit dem Internationalen Gerichtshof, dem höchsten UN-Gericht, das ebenfalls in Den Haag über Streitigkeiten zwischen Staaten entscheidet. Der IStGH ist kein Organ der Vereinten Nationen.

DPA
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