Was würde es für die USA und die Welt bedeuten, falls Donald Trump erneut zum amerikanischen Präsidenten gewählt wird?
Trump folgt keiner politischen Überzeugung. Er macht Politik nicht auf Basis von irgendwelchen Regeln. Alles ist ad hoc, und es geht immer um die Frage: Wie nützt das Donald Trump? So hat er in den ersten vier Jahren regiert. Und so würde er auch regieren, wenn er es nochmal schaffen sollte.
Mit welchen Folgen?
Trump hat zwischen 2017 und 2021 großen Schaden angerichtet, national und international, aber das war reparierbar. Wäre er 2020 wiedergewählt worden, wäre der Schaden irreparabel gewesen. Das gilt jetzt wieder.
Was befürchten Sie konkret?
Sein Ziel in einer zweiten Amtszeit ist Vergeltung. Er sagt gerne den Satz: Die verfolgen mich, aber sie meinen eigentlich euch. Trump möchte sich die Entfremdung vieler Menschen von der Regierung zunutze machen, links, rechts und vor allem unter den Arbeitern. Aber natürlich meint er Vergeltung für sich selbst.

John Bolton, 74 war von April 2018 bis September 2019 Sicherheitsberater unter Donald Trump im Weißen Haus. Er gilt als einer der Architekten des Irakkriegs unter George W. Bush und war von August 2005 bis Dezember 2006 US-Botschafter bei den Vereinten Nationen.
Lassen Sie uns über die internationale Dimension sprechen. Was käme da auf uns zu?
Die Nato-Mitgliedschaft der Vereinigten Staaten steht auf dem Spiel. Er will raus. Trump glaubt zudem, den Ukraine-Krieg binnen eines Tages lösen zu können. Gott stehe der Seite bei, die nicht kooperiert! Er glaubt auch, er könne mit China ein Handelsabkommen erreichen. Und er will mit seinem Freund Kim Jong-un über Nordkoreas Atomwaffenprogramm sprechen. Über einen Punkt spricht Trump übrigens nicht: die Berater. Die Qualität seiner Berater in einer zweiten Amtszeit wäre deutlich schlechter.
Sie haben unter Trump eine Zeitlang als nationaler Sicherheitsberater gearbeitet.
Ich bin da nicht ganz objektiv, zugegeben, aber glauben Sie es mir. Es wären nur noch Leute an seiner Seite, die übrig geblieben sind und die ihm die Treue schwören.
Wenn Trump sagt, er könne den Krieg in der Ukraine binnen 24 Stunden beenden. Was würde er genau tun?
Es geht ihm um sein Image. Er hat das Buch "Die Kunst des Erfolges" geschrieben und hält sich für einen großartigen Dealmaker, der in den Raum kommt und das Problem einfach löst. Ich glaube nicht mal, dass Mutter Theresa für diesen Krieg in 24 Stunden eine Lösung gefunden hätte, die für beide Seiten befriedigend wäre. Das ist ja der Grund, weshalb es nach eineinhalb Jahren Krieg noch keine ernsthaften Verhandlungen gibt.
"Trump hat keine politischen Überzeugungen"
Das wäre dann eine ziemliche Blamage für Trump.
Er würde beiden Seiten drohen. Wenn Putin nicht mitspielt, könnte er sagen: Hört mit der Invasion auf oder ich verdopple die Hilfe für die Ukraine. Und wenn die Ukraine sich widersetzt …
… stellt er die Hilfen ganz ein?
Absolut möglich. Das weiß keiner, nicht mal er selbst. Es ist ja alles ad hoc. Trump hat keine politischen Überzeugungen.
Welche Nachricht würde all das an Wladimir Putin senden?
Der russische Präsident wäre hoch erfreut. Trump erzählt gerne, Putin habe die Ukraine nicht in seiner Präsidentschaft überfallen. Das ist unbestreitbar wahr. Putin hat auf das Ergebnis der amerikanischen Präsidentschaftswahl 2020 gewartet und erst danach zugeschlagen. Und nun wartet er wieder ab. Es könnte ja sein, dass Trump wiedergewählt wird und tatsächlich aus der Nato austritt. Putin sähe viel lieber Trump im Weißen Haus als Biden. Nicht weil er weiß, was Trump tun wird, sondern weil er weiß, dass der Bidens derzeitige Strategie nicht fortsetzen würde.
Was hätte Trump von einem Nato-Austritt?
Er glaubt nicht, dass alle Mitglieder der Allianz ihren Anteil beitragen. Wenn man sich anschaut, wer das Zweiprozentziel erreicht, sind viele immer noch im Rückstand. Die 100 Milliarden, die Deutschland investiert, kommen nur langsam an. Und es ist völlig unklar, wie das Ziel dauerhaft erreicht werden soll, wenn das Geld aufgebraucht ist. Nato-Generalsekretär Stoltenberg plädiert zudem eher für drei Prozent. Ich persönlich würde fünf bis sechs Prozent empfehlen. Trump wirft den Europäern zudem das amerikanische Handelsdefizit vor und will nicht hinnehmen, dass die Amerikaner ihren Handel mit China reduzieren, die Europäer aber nicht. Das ist für ihn alles eine große Rechnung.
Der Nato-Vertrag wurde vom US-Senat mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet. Kann der Präsident ihn einfach aufkündigen?
Es gibt dazu keine abschließende Meinung des Obersten Gerichts. Aber die allgemeine Sichtweise ist, dass der Präsident jeden internationalen Vertrag aufkündigen kann, ohne den Senat einbinden zu müssen.
Aber es gäbe Widerstand.
Oh ja, absolut. Und vielleicht käme Trump sogar zu der Schlussfolgerung, dass es das nicht wert wäre. Aber er würde die Allianz aufs Spiel setzen, da habe ich keinen Zweifel.
"Das Schlimmste wären die Folgen für die Ukraine"
Das klingt nach dem Ende der Weltordnung, wie wir sie kennen.
Es ist eine desaströse Idee, aber das ist eben Donald Trump. Beim Nato-Gipfel 2018 war er kurz davor, den Austritt aus der Nato anzukündigen. Er hat den Gedanken nie aufgegeben.
Es gibt wichtige Stimmen in der republikanischen Partei, die sich voll auf China konzentrieren wollen und den Rest der Welt samt Nato und Europa für irrelevant halten, darunter der einflussreiche Senator Josh Hawley. Wieso haben die Republikaner ihren Kompass verloren?
Ich glaube, dass das eine eher kleine Gruppe von Leuten ist, die nach Isolationismus strebt. Die denken: Wir kümmern uns nicht um Europa oder den Nahen Osten, sondern nur um China. Das wird aber nicht funktionieren. Wenn man sich einem Teil der Welt abwendet, wendet sich China diesem Teil zu. Das übersehen Hawley und seine Leute. Zugleich machen die Europäer einen Fehler, wenn sie sich nicht mehr Gedanken über China machen. Peking ist massiv in den Krieg in der Ukraine involviert. Sie liefern Material, sie erwerben Rohstoffe aus Russland und halten das dortige Finanzsystem am Laufen. Die Nato muss grundsätzlich und strategisch über eine größere Rolle in Asien nachdenken.
Wenn Trump gewinnt, gewinnen auch die Isolationisten, oder?
Die Gefahr besteht, ja. Das Schlimmste am Isolationismus wären die Folgen für die Ukraine. Vor Kurzem haben 70 Republikaner im Repräsentantenhaus dafür gestimmt, alle Hilfen für die Ukraine einzustellen. Das ist ein schlechtes Zeichen. Andererseits haben die restlichen Republikaner, immerhin zwei Drittel der Abgeordneten, für weitere Hilfen gestimmt. Diese 70 Abgeordneten wollten Trump ihre Loyalität zeigen. Sie wussten aber, dass die Hilfen auch ohne ihre Stimmen durchgehen. Wenn Trump nicht der Kandidat oder gar Präsident wird, werden die Republikaner die Partei von Ronald Reagan bleiben.
Hält Sie der Gedanke, dass Trump ins Weiße Haus zurückkehren könnte, nachts wach?
Nichts hält mich nachts wach. Wenn das so wäre, könnte ich nie schlafen. Es ist aber ein sehr bedrohliches Signal für die Republikaner und das Land, dass er der führende Kandidat der Partei ist. Im Moment helfen ihm die Anklagen. Aber es ist nicht aus und vorbei. Es gibt eine hohe Zahl an Republikanern, die große Sorge vor Trump haben. Ich halte ihn weiterhin für eine Ausnahme und glaube nicht, dass er das Wesen der Partei dauerhaft verändert.
Wenn es am Ende wieder Trump gegen Biden heißt, was ist dann ihre Prognose?
Die Demokraten gehen fest davon aus, dass Biden gewinnen würde. Ich halte diese Annahme für falsch. Biden ist extrem unpopulär. 2016 gab es eine große Gruppe, die weder Hillary Clinton noch Donald Trump mochte. Am Ende haben diese Leute eher für Trump gestimmt, weil sie Clinton noch weniger mochten als ihn. 2020 war diese Gruppe noch größer, und sie mochten Trump weniger als Biden. 2024 wird diese Gruppe abermals anwachsen. Nur wen werden sie dann am wenigsten leiden können? Das ist nicht gerade die ideale Art und Weise, unseren Präsidenten zu bestimmen, aber genau darauf müssen wir uns einstellen. Ich weiß die Antwort darauf nicht. Aber ich habe große Sorge, dass Trump gewinnen könnte.