Was die Loyalität seiner Anhänger betrifft, bewies Donald Trump schon vor vielen Jahren irritierende Weitsicht. "Ich könnte auf der Fifth Avenue stehen und jemanden erschießen, ich würde keine Wähler verlieren", orakelte er im Januar 2016. Nun hat der Ex-Präsident zwar niemanden erschossen, sieht sich aber wegen der Dokumentenaffäre einer Klage gegenüber, die ihn ebenfalls ins Gefängnis bringen könnte. Jetzt gibt es die ersten Umfragen, in denen die neuen Umstände berücksichtigt sind. Und Trumps Prophezeiung bewahrheitet sich ein weiteres Mal.
Donald Trump bei mehr als 50 Prozent
"Vergleicht man die Umfragen vor und nach der Anklage am 8. Juni, haben sich die Zahlen weder für die Vorwahlen noch für die Präsidentschaftswahl bewegt", heißt es auf der US-Seite "FiveThirtyEight". Die beschäftigt sich vor allem mit Demoskopie und Umfragen und zeigt in ihrer aktuellen Grafik deutlich, dass Trumps Beliebtheitswerte im Durchschnitt weiter bei mehr als 50 Prozent liegen. Genauer: 53,5 Prozent der Republikaner würden ihn zum Kandidaten für die nächste Präsidentschaftswahl 2024 küren. Der derzeit zweitplatzierte Anwärter auf die Kandidatur, Floridas Gouverneur Ron DeSantis, liegt mit gerade einmal 21 Prozent dahinter.
Ähnlich ist das Bild bei der Frage, wie ein mögliches Duell Donald Trump vs. Joe Biden am Wahltag ausgehen könnte. "FiveThirtyEight" hat die Ergebnisse von sieben Befragungen ausgewertet: Im Durchschnitt liegt der Republikaner mit 0,6 Prozentpunkten aktuell hauchdünn vor dem Amtsinhaber. Und offenbar ist Trumps Vorsprung, den er schon vor der Anklageverlesung gegenüber Biden hatte, sogar noch leicht gestiegen. Einen ähnlichen Effekt hatte es auch gegeben, als Trump im März im Fall Stormy Daniels angeklagt wurde. Auch damals schadete ihm der juristische Ärger nicht im Geringsten.
Viele Amerikaner wünschen sich Bestrafung
Dabei ist es nicht so, dass die Amerikaner die neuen Vorwürfe als Kavaliersdelikte abtun. Die große Mehrheit hält sie durchaus für schwerwiegend. Und zumindest die relative Mehrheit von ihnen findet, dass der Ex-Präsident dafür zur Verantwortung gezogen werden sollte. Etwa 48 Prozent in einer Befragung von ABC News. Bei Civiqs/Daily Kos legen sich sogar 50 Prozent der Menschen fest, dass Donald Trump schuldig ist.
Bei der jüngsten Anklage geht es um zahlreiche geheime Dokumente, die er nach Amtsende mit auf sein Anwesen nach Florida genommen hatte. Das allein ist bereits problematisch. Dass er sie aber selbst auf Bitten der Behörden nicht herausgerückt und sogar noch vor ihnen versteckt hatte, war der Auslöser für die juristische Verfolgung. Wenn es schlecht läuft für den Ex-Staatschef, dann muss er ins Gefängnis. Bis zu zehn Jahren drohen ihm. Trump ist der erste Ex-US-Präsident, der auf Bundesebene angeklagt ist.
Es gewinnt nicht immer der mit den meisten Stimmen
Eine mögliche Gefängnisstrafe würde aber nicht zwingend das Aus für den Politiker Trump bedeuten. Theoretisch könnte er sogar hinter Gittern Wahlkampf betreiben oder von dort aus das Land regieren. Doch bis zur Wahl sind es noch 17 Monate – das ist im US-Wahlkampf sehr viel Zeit. Zudem sind Umfragen immer nur ein aktuelles Stimmungsbild. Und da die USA ihre Präsidenten ohnehin nicht direkt, sondern über die Bundesstaaten und das Wahlleutegremium bestimmen, gewinnt auch nicht immer der Kandidat mit den meisten Stimmen. Trump selbst hatte davon 2016 profitiert.
Quellen: DPA, AFP, FiveThirtyEight, Realclearpolitics