Podcast "Die Lage – International" Sicherheitsgarantien für Kiew: "Die Europäer spielen ein doppeltes Spiel"

Doppeltes Spiel: Bundeskanzler Friedrich Merz (l.) mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj
Doppeltes Spiel: Bundeskanzler Friedrich Merz (l.) mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj
© Kay Nietfeld
Europas Diskussion um Sicherheitsgarantien für Kiew gleicht einem Eiertanz. Merz, Macron und Co. hoffen, Trump so bei Laune zu halten. Den Schaden hat vor allem ein Land.

Deutsche Sicherheitsgarantien für die Ukraine? In deutschen Militärkreisen hatten zuletzt gleich mehrere Szenarien die Runde gemacht, wie die Bundeswehr sich an der Absicherung eines Waffenstillstands in der Ukraine beteiligen könnte. Bis hin zur Entsendung einer ganzen Division (ca. 20.000 Mann) ins Nachbarland Polen gingen die Gedankenspiele. Doch die weitreichendsten Szenarien waren schon vor dem Pariser Gipfeltreffen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzler Friedrich Merz, dem britischen Premier Keir Starmer und den Spitzen von Nato und EU intern wieder vom Tisch. Das sagt Sicherheitsexperte Christian Mölling in der neuesten Ausgabe des stern-Podcasts "Die Lage – International".

Europas Rumdrucksen bei Sicherheitsgarantien "ist ein Signal der Schwäche"

"Weil man in Berlin glaubt, dass man der deutschen Öffentlichkeit das nicht zumuten kann, hat man die deutschen Vorschläge offensichtlich wieder zurückgezogen", schlussfolgert Mölling. Nun gehe es darum, den Pariser Gipfel gesichtswahrend über die Bühne zu bekommen und den Druck aus der toxischen Diskussion um europäische Truppenentsendungen zum Schutz der Ukraine herauszunehmen. Denn, so Mölling: "Das Rumdrucksen über die Frage, was sind wir Europäer bereit zu leisten, ist ein Signal der Schwäche. Dann ist es für die Ukraine besser, dass diese Diskussion gar nicht stattfindet." Ähnlich hatte sich auch der ehemalige ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba zuletzt geäußert.

Mit der erneuten Debatte um europäische Sicherheitsgarantien für Kiew hätten die Europäer ein doppeltes Spiel gespielt, sagt der Politologe vom Brüsseler Think Tank European Policy Center. Dazu habe sie die chaotische Friedensdiplomatie des amerikanischen Präsidenten und seines Sondergesandten Steve Witkoff in den vergangenen Wochen gezwungen. "Die Europäer mussten Richtung Washington signalisieren: Jaja, finden wir alles super. Im Wissen, dass das ein Kartenhaus ist, das schnell wieder in sich zusammenbricht", so Mölling. Das Ergebnis sei ein Zeitgewinn für Russland, das zunächst auch keine neuen US-Sanktionen mehr fürchten müsse.

Zu aktuellen Meldungen über verstärkte Aktivitäten von Nato-Flugzeugen mit Spezialfähigkeiten zur U-Boot-Aufklärung vor der Küste Nordnorwegens sagt Experte Mölling: "Das Gebiet ist extrem sensibel." In einer Nadelstich-Strategie hätten russische Kriegsschiffe das Seegebiet zuletzt immer wieder durchfahren, bis in britische Gewässer hinein. Gerade den britischen und norwegischen Streitkräften machten die wachsenden russischen Aktivitäten Sorge, weil im Konfliktfall Nato-Nachschub für Europa aus den USA durch diese Region transportiert werden müsse. "Der Nordatlantik ist die Achillesferse des atlantischen Bündnisses", warnt Mölling.