Das Drama um die drei entführten Deutschen in Kolumbien spitzt sich zu. »Hier herrscht eine große Spannung«, sagte Servio Diaz, Sprecher des Gouverneurs der betroffenen Region Cauca am Montag (Ortszeit) der dpa. Die Geiseln seien in einen Machtkampf zwischen den Indios und der Guerilla-Gruppe »Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens« (FARC) geraten. Unterdessen bestätigte Diaz Berichte, wonach sich eine Delegation der deutschen Botschaft in Popayan, der Hauptstadt Caucas, aufhält. Die Entführer hätten bisher keine schriftlichen Forderungen gestellt, hieß es aus Entwicklungshilfe-Kreisen.
Eine der Geiseln, der 58-jährige Entwicklungshelfer Ulrich Künzel, habe gesundheitliche Probleme, sagte Diaz. Dies habe ihm ein Informant aus dem Guerilla-Gebiet zugetragen. Künzel habe sich erst vor kurzem einer Arterien-Operation am Herz unterzogen. Dadurch sei er geschwächt und auf ein bestimmtes Medikament angewiesen. Ein Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums teilte am Montag mit, eine Verhandlungsgruppe des Landes- (LKA) und Bundeskriminalamts (BKA) versuche, einen Informationsfluss zwischen den Angehörigen aus der Region Hannover und den Entführern herzustellen. So könnten eventuell erforderliche Medikamente schnell besorgt werden.
Spannungen haben zugenommen
Den Geiseln stehe möglicherweise ein anstrengender Fußmarsch durch den Dschungel bevor, sagte Diaz. Nach seinen Informationen möchten die FARC ihre Geiseln auf keinen Fall in einem der Indio-Reservate frei lassen. Damit wollten sie
verhindern, dass die Indios den Erfolg für sich verbuchen können. Daher sei es wahrscheinlich, dass die Rebellen ihre Geiseln in die mehr als 300 Kilometer entfernte Provinz Huila nordöstlich von Cauca bringen. Zurzeit hielten sich die Entführten in der Nähe des Ortes Jambalo auf, 40 Kilometer nordöstlich von Silvia, wo sie am Mittwoch der vergangenen Woche entführt wurden.
Die ohnehin bestehenden Spannungen zwischen der Guerilla und den Indios haben in den vergangenen Tagen noch zugenommen. Unter anderem wurde ein hohes Mitglied der Indio-Polizeitruppe von der FARC ermordet. Nach den Angaben von Diaz hätten sich die 40 000 Indios in acht Reservaten bereit erklärt, bei der Suche nach den drei Deutschen zu helfen. Nach den Worten einer Entwicklungshelferin in Bogota fühlten sie sich für die Geiselnahme mit schuldig. Künzel hatte mit ihnen eng zusammen gearbeitet. Der Gouverneur von Cauca, Floro Tunubala, habe den Indios jedoch Einhalt geboten. »Sonst wäre das Leben der Geiseln in Gefahr«, sagte Diaz.
Der Mitarbeiter der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), Ulrich Künzel, sein Bruder Thomas und der gemeinsame Freund Reiner Bruchmann, die Kolumbien als Touristen besuchten, waren am Mittwoch etwa 330 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Bogota entführt worden. Die beiden Ehefrauen der Künzels harren weiterhin vor Ort aus.
Bedingungen für Waffenstillstand veröffentlicht
Die größte Rebellenorganisation FARC und die Regierung in Kolumbien haben gestern zudem stark voneinander abweichende Bedingungen für einen Waffenstillstand veröffentlicht. Nach den Vorstellungen der Regierung müssten die »Revolutionären Streitkräften Kolumbiens« (FARC) dafür auf alle Entführungen und Angriffe auf die Zivilbevölkerung sowie die Infrastruktur verzichten, ihre Verbindungen zu Drogenbanden kappen und alle von ihnen entführten Personen freilassen.
Die Regierung antwortete mit der Nennung der Bedingungen für einen Waffenstillstand auf eine Erklärung der FARC, die damit die vor mehr als einem Jahr vereinbarte Geheimhaltung über die Verhandlungen beendet hatte. Die älteste Rebellenorganisation, die etwa 16 000 Frauen und Männer unter Waffen hält, forderte für einen Waffenstillstand ein Ende der Gewalt auch durch die ultrarechten »Einheiten zur Selbstverteidigung Kolumbiens« (AUC). Dies seien »Hilfskräfte« des Staates.
Die Regierung von Präsident Andres Pastrana hat jedoch nach Einschätzung politischer Beobachter in Kolumbien kaum direkten Einfluss auf die für ihre Brutalität gefürchteten Paramilitärs. Die FARC lehnten zugleich eine völlige Einstellung der Feindseligkeiten ab. »Das Recht zur Selbstverteidigung bei feindlichen Angriffen« bleibe vorbehalten, teilte ein Sprecher mit.
Außerdem fordern die Rebellen, das neoliberale Wirtschaftsmodell aufzugeben, soziale Proteste nicht zu unterdrücken, keine Kolumbianer an das Ausland auszuliefern, Drogenfelder nicht mehr mit Gift zu besprühen sowie eine Bestrafung korrupter Beamter sowie der Medien, die den Paramilitärs das Wort redeten.
Die FARC haben eingeräumt, sich zum Teil aus dem Drogenhandel zu finanzieren. Sie seien aber nicht direkt an dem Drogenanbau oder -schmuggel beteiligt, wie dies die Sicherheitskräfte behaupten. Eine weitere Einkommensquelle ist die Erpressung von Lösegeldern. Die Deutschen sollen jedoch aus Protest gegen die Giftsprühaktionen und damit aus politischen Gründen entführt worden sein.