First Lady Frauen-Power

Es ist Eleanor Roosevelt, die Frau von Franklin Delano Roosevelt, die mit ihrem Einzug ins Weiße Haus die Rolle der First Lady neu definiert. An der Seite ihres Mannes kämpft sie für die Rechte der amerikanischen Frauen.

Wo, in der Tat, beginnen die universalen Menschenrechte? An kleinen Orten, ganz in der Nähe - so nah und so klein, dass sie auf keiner Landkarte dieser Welt verzeichnet sind. Und doch sind sie für den einzelnen Menschen die ganze Welt: die Nachbarschaft, in der er lebt, die Schule oder Universität, die er besucht, die Fabrik, die Farm oder das Büro, in dem er arbeitet. Das sind die Orte, wo jeder Mann, jede Frau, jedes Kind Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Gleichbehandlung verdient. Wenn diese Rechte dort keine Bedeutung haben, dann haben sie es kaum sonst irgendwo auf der Welt."

Es ist Eleanor Roosevelt,

die am 27. März 1953 vor den UN diese Rede hält. Als sie am 17. März 1905 mit Franklin Delano Roosevelt, einem Cousin fünften Grades, vermählt wird, hätte sie sich so einen Auftritt nie träumen lassen. Da ist sie noch ganz in der traditionellen Frauenrolle gefangen: "Ich nahm wie selbstverständlich an, dass Männer überlegene Wesen sind und mehr über Politik wissen als Frauen", erinnerte sich Eleanor Roosevelt später. Als man sie auf der Hochzeitsreise in Schottland nach dem Unterschied zwischen den Regierungen der einzelnen Staaten und der Bundesregierung in Washington fragt, kann sie nur mit den Schultern zucken: Sie wisse nicht, dass es da überhaupt Unterschiede gäbe.

Eleanor Roosevelt bringt sechs Kinder zur Welt,

eines stirbt noch im Säuglingsalter. Ihre Welt ist klein und heil - bis zu ihrem 13. Ehejahr. Da erfährt sie, dass ihr Mann bereits seit Jahren eine Affäre mit ihrer persönlichen Sekretärin, Lucy Mercer, hat. Sie gibt der Ehe eine zweite Chance. Aber nur unter der Bedingung, dass Lucy und Franklin sich nicht mehr sehen. Und fortan wird sie sich nie mehr hinter ihrem Mann klein machen, sondern ihr Recht auf ein eigenes Leben einfordern.

Das stellt sie ganz in den Dienst der Unterdrückten. Sie hilft bei der Organisation des Internationalen Kongress für Frauenarbeit in Washington und wird Mitglied der Liga der weiblichen Wähler. Als die amerikanischen Frauen 1920 das Wahlrecht verliehen bekommen, hat sie ihren Teil dazu beigetragen. 1921 eröffnen die Ärzte ihrem Mann nach einer Kinderlähmung, dass er fortan an den Rollstuhl gefesselt ist. Gegen den Willen ihrer Schwiegermutter überredet sie Franklin, seine politische Karriere weiter zu verfolgen. Eleanor wird zu seinen "Augen und Ohren". Sie reist von Stadt zu Stadt, redet mit den Leuten und berichtet ihrem Mann von den Sorgen und Nöten seiner Wähler. 1928 wird der Demokrat Gouverneur des Staates New York, 1933 Präsident der Vereinigten Staaten.

Mit dem Einzug ins Weiße Haus

beginnt Eleanor Roosevelt die Rolle der First Lady neu zu definieren. Sie hält eigene Pressekonferenzen ab, zu denen nur Frauen Zutritt erhalten. Damit zwingt sie die Zeitungen, weibliche Reporter einzustellen. Sie startet Kampagnen gegen die in den Südstaaten noch verbreitete Lynchjustiz an Schwarzen. Sie ist die erste Amerikanerin, die mit öffentlichen Vorlesungen ihr eigenes Geld verdient, die erste Radiokommentatorin und die Erste, die ihre Meinung in einer eigenen Zeitungskolumne vertreten kann. Auf dem Höhepunkt ihrer Popularität drucken 90 Zeitungen in Amerika ihren täglichen Kommentar "My Day".

Als ihr Mann 1945 während seiner vierten Amtszeit stirbt, ist sie drauf und dran zu resignieren. Doch die Welt will Eleanors Meinung hören. Nur ein Jahr später wird sie zur Vorsitzenden der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen gewählt. Am 7. November 1962 stirbt Eleanor Roosevelt, inzwischen 78 Jahre alt, an Tuberkulose.

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Angelika Franz