G-8-Gipfel Kuscheln statt Krisen

Auch der zweite Tag des G-8-Gipfels auf Sea Island stand ganz im Zeichen der Harmonie. Mit einem "wirklichen Partnerschaftsangebot" soll der Frieden im Nahen Osten unterstützt werden.

Die sieben führenden Industriestaaten und Russland (G8) bieten sich der arabischen Welt als Partner für politische und wirtschaftliche Reformen an. Eine entsprechende Initiative stand für die Staats- und Regierungschefs der G8-Länder am zweiten Tag ihres Gipfels auf Sea Island (US-Bundesstaat Georgia) im Vordergrund. Weiterer wichtiger Tagesordnungspunkt war die Lage der Weltwirtschaft angesichts der hohen Ölpreise.

In der arabischen Welt ist diese Nahostinitiative auf harsche Kritik gestoßen. Im Februar war die Absicht der USA bekannt geworden, den gesellschaftlichen Wandel in den Länder des Nahen und Mittleren Ostens voranzutreiben. Die Regierung von US-Präsident George W. Bush sieht darin eine zentrale Voraussetzung, die Region langfristig zu stabilisieren. Arabische Länder hingegen sehen darin eine Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten.

Diplomaten: Kein Tonfall der Bevormundung

Auch bei den europäischen Partnern stieß der erste bekanntgewordene Entwurf einer Deklaration auf Unverständnis. In dem Dokument war der israelisch-palästinensische Konflikt als eine der Hauptursachen für instabile Verhältnisse in der arabischen Welt überhaupt nicht erwähnt. Die nun vorliegende Deklaration verzichtet nach Angaben von Diplomaten auf einen Tonfall, der als Bevormundung ausgelegt werden könnte.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte zu Beginn des Gipfels gesagt, keinem Land der Region dürfe von außen etwas aufgezwungen werden. Am zweiten Tag des Gipfels zeigte er sich versöhnlich: Inzwischen sei man sich einig, dass es um die Unterstützung eines Demokratisierungs- und Stabilisierungsprozesses gehe, der aus der Region selbst kommen müsse. "Es ist wirklich ein Partnerschaftsangebot."

Einige arabische Staaten verzichteten auf Teilnahme

Die G8-Runde wollte ihre Inititiative mit den Staats- und Regierungschefs aus Jordanien, Algerien, Bahrein, Jemen, Afghanistan und der Türkei bei einem Mittagessen beraten. Auch der irakische Übergangspräsident Ghasi el Jawar sollte dabei sein. Allerdings hatten - offensichtlich aus Verärgerung - mit Ägypten, Saudi-Arabien und Marokko wichtige Länder der Region auf eine Teilnahme am Gipfel verzichtet. Am Abend wollte sich Bundeskanzler Schröder mit dem jordanischen König Abdullah II etwas informeller zu bilateralen Gesprächen treffen.

Die Weltwirtschaft kränkelt an unterschiedlichen Ecken

Außerdem auf dem Programm für Tag zwei: eine Bestandsaufnahme der Weltkonjuktur. Besondere Sorge macht einigen Staats- und Regierungschefs in diesem Zusammenhang die Entwicklung des Ölpreises. Der russische Präsident Wladimir Putin habe deutlich gemacht, dass die Förderländer kein Interesse an einem "nachhaltig extrem hohen Ölpreis" hätten, sagte Kanzler Schröder. "Der Ölpreis ist also kein aktuelles, aber ein potenzielles Risiko." Schröder drang weiter darauf, Spekulationen auf den Ölmärkten einzudämmen. In einem "Diskussionsprozess" müsse mehr Transparenz geschaffen werden, bekräftigte er.

Der französische Präsidenten Jacques Chirac brachte als zweites Weltwirtschaftsproblem das hohe amerikanische Haushaltsdefizit zur Sprache. In der Mittagspause konnte er vermelden: US-Präsident George W. Bush sei sich des Problems bewusst. Bush selbst macht sich eher Sorgen um die europäischen Länder. Angesichts weiterhin enttäuschender Wachstumsraten in der Euro-Zone mahnte er die europäischen Partner zu weiteren Reformen vor allem auf dem Arbeitsmarkt sowie bei den Renten- und Gesundheitskassen.

Stimmung nach Irak-Resolution deutlich gelöster

Nach der Verabschiedung der neuen Irak-Resolution zeigten sich die Staats- und Regierungschefs auf der Luxusferieninsel Sea Island in gelöster Stimmung. Die Differenzen unter den G8-Staaten gelten jetzt als ausgeräumt. "Wir wollen nun alle die Spaltungen der Vergangenheit hinter uns lassen", erklärte der britische Premierminister Tony Blair. Der "Gruppe der Acht" gehören die Irak-Kriegsbefürworter USA, Großbritannien, Japan und Italien sowie die Skeptiker Frankreich, Deutschland, Russland und Kanada an.

Bush drängt auf stärkeres NATO-Engagement in Irak

Den Gipfel nutzte US-Präsident George W. Bush dann auch gleich, um die NATO zu einem größeren Engagement in dem arabischen Land aufzufordern. Mehrere NATO-Staaten seien bereits in Irak präsent, und er hoffe, "dies ein bisschen auszuweiten", sagte Bush am Mittwoch nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister Tony Blair im Rahmen des Gipfels. Auch die Gegner des Irak-Kriegs - Bundeskanzler Gerhard Schröder, der französische Staatspräsident Jacques Chirac und der russische Präsident Wladimir Putin - sprachen hoffnungsvoll von einer neuen Ära der Zusammenarbeit. Allerdings haben Deutschland und Frankreich ebenso wie Kanada deutlich gemacht, dass sie auch nach Verabschiedung der UN-Resolution keine Truppen nach Irak schicken wollen.

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