Der Sohn des libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi hat in einem Fernsehinterview bestätigt, dass die fünf bulgarischen Krankenschwestern und der palästinensische Arzt in Libyen gefoltert wurden. "Ja, sie wurden mit elektrischen Schlägen traktiert, und ihnen wurde angedroht, dass auch ihre Familien zum Angriffsziel werden könnten", sagte Seif al Islam Gaddafi dem arabischen Fernsehsender al Dschasira in einem Gespräch, das am Donnerstag ins Internet gestellt wurde.
Aids-Virus schon vorher in der Klinik aufgetreten
Die Krankenschwestern und der Arzt wurden 1999 inhaftiert und kamen im Juli frei. Gaddafis Sohn erklärte allerdings, dass die Vorwürfe des palästinensischen Arztes gegen die libyschen Behörden übertrieben sein. Das seien "Lügen", meinte er. Der Arzt Aschraf al Hasus, der mittlerweile die bulgarische Staatsbürgerschaft hat, berichtete in einem Interview des niederländischen Fernsehens, er sei unter Drogen gesetzt und mit Elektroschocks an Füßen und Genitalien gefoltert worden. Auch sei er gezwungen worden, eine Erklärung zu unterschreiben, wonach er in der Gefangenschaft gut behandelt worden sei
Seif al Islam erklärte nach Angaben des Senders auch, dass die Krankenschwestern und der Arzt nicht an der Infektion von mehr als 400 Kindern mit dem HI-Virus in einem Krankenhaus in Bengasi schuld gewesen seien. Die Sicherheitsbehörden hätten den Fall manipuliert. Er verwies auf eine Expertise des französischen Aids-Spezialisten Professor Luc Montagnier, der schon vor Jahren darauf hingewiesen hatte, dass das Aids-Virus bereits vor Eintreffen der Angeklagten in der Klinik aufgetreten war.
Klage wegen Folter in Lybien zurückgewiesen
Der Sohn Gaddafis bekleidet kein politisches Amt, gilt aber als sehr einflussreich in Libyen. Die Behörden in Tripolis kommentierten seine Aussagen nicht. Die ursprünglich zum Tode verurteilten Bulgaren waren beschuldigt worden, mehr als 400 libysche Kinder vorsätzlich mit dem HI-Virus angesteckt zu haben. 50 von ihnen sind bereits an Aids gestorben. Die Angeklagten hatten erklärt, ihnen seien Geständnisse mit Folter abgepresst worden. 2005 erstatteten sie gegen zehn libysche Offiziere Anzeige wegen Folter, der Fall wurde jedoch von einem libyschen Gericht zurückgewiesen.
Erst Mitte Juli hatte der Oberste Richterrat die 2004 verhängten Todesurteile in lebenslange Haftstrafen umgewandelt. Dies machte den Weg für die Rückkehr der Bulgarinnen in ihre Heimat frei, wo sie sofort begnadigt worden waren. Die Ausreise war erst nach langwierigen Verhandlungen zwischen Libyen und der EU über Entschädigungszahlungen an die Eltern der an Aids erkrankten Kinder und anderen Absprachen möglich geworden. Dabei spielte die von Saif al-Islam geführte Gaddafi-Stiftung eine entscheidende Rolle. Saif al Islam gilt als möglicher Nachfolger seines Vaters als Revolutionsführer.