Großbritannien Brown zieht den Kopf aus der Schlinge

Der britische Premier Gordon Brown steht mit dem Rücken zur Wand - aber er steht noch. Auf dem mit Spannung erwarteten Treffen der Labour-Fraktion gelang es den Partei-Rebellen nicht, eine Ablösung Browns durchzusetzen. Im Gegenteil: Der Labour-Chef konnte sogar Punkte sammeln.

Nach einem historischen Debakel bei der Europawahl und einem erneuten Rücktritt aus der Regierung steht der britische Premier Gordon Brown weiter mit dem Rücken zur Wand. Seine Labour- Partei stürzte nach dem Spesenskandal und der Regierungskrise in der Wählergunst dramatisch ab und war nur noch drittstärkste Kraft. Zudem legte Umwelt-Staatssekretärin Jane Kennedy am Montag ihr Amt nieder, nachdem Brown schon in der vergangenen Woche eine Rücktrittswelle in seinem Kabinett verkraften musste. Bei einem entscheidenden Treffen der Labour-Fraktion bekam der Premier allerdings am Abend nach Angaben von Teilnehmern Unterstützung. Damit schien ein unmittelbarer Sturz Browns zunächst abgewendet.

Labour musste jedoch bei der Wahl neben der Konservativen Partei auch die europafeindliche UKIP an sich vorbeiziehen lassen, die wie andere kleinere Parteien von Protestwählern profitierte. So schickt etwa die ausländerfeindliche BNP zwei Abgeordnete in das neue Europaparlament.

Am Montag mied der Regierungschef zunächst die Öffentlichkeit und fuhr mit seiner Kabinettsumbildung auf unterer Ebene fort. Aus Browns Regierungsmannschaft hatten zuletzt fünf Minister und mehrere Staatssekretäre das Handtuch geworfen. Trotz aller Kritik hatte Brown mehrfach erklärt, er wolle an seinem Amt festhalten.

Bei dem mit Spannung erwarteten Treffen der Labour-Fraktion wurde Brown nach Berichten der BBC mit Applaus begrüßt. Teilnehmer sagten, dass Brown "großartige Unterstützung" bekommen habe. Drei Abgeordnete hätten ihn zwar zum Rücktritt aufgefordert, darunter jedoch bereits bekannte Brown-Kritiker. Nach Angaben des Senders hätten die Rebellen bisher nicht die nötigen Stimmen von Abgeordneten zusammenbekommen, um einen Antrag auf Ablösung des Premiers zu stellen. Der neue Kulturminister Ben Bradshaw sagte, Brown habe die "Rede seines Lebens" gehalten. Ein Staatssekretär erklärte, die Partei wolle, "dass der Kapitän an Bord bleibt".

Dagegen sagte Umwelt-Staatssekretärin Kennedy nach ihrem Rücktritt, sie zweifle an Brown. Bleibe er weiter an der Parteispitze, werde das für Labour zum "bitteren Ende" führen. Zudem wolle sie Brown nicht ihre Gefolgschaft zusichern und habe genug von "Schmutzkampagnen" innerhalb der Regierung.

Oppositionschef David Cameron von den konservativen Tories forderte erneut vorgezogene Parlamentswahlen: "Jetzt, wo das britische Volk das Vertrauen in Labour verloren hat, möchte ich, dass die Konservative Partei dieses Vertrauen gewinnt."

Die regierende Labour-Partei verlor bei der Europawahl rund 7 Prozentpunkte und kam nur noch auf 15,7 Prozent. Labour wurde von der europafeindlichen Partei UKIP (16,5 Prozent) überflügelt, lag aber noch vor den Liberaldemokraten (13,7). Stärkste Kraft wurde die Konservative Partei mit 27,7 Prozent. Die Grünen legten mit 2,4 Punkten am stärksten zu und kamen auf 8,6 Prozent. Die Wahlbeteiligung betrug etwa 34 Prozent.

Um die erhitzten Gemüter nach der Wahlniederlage zu beruhigen, will Brown nach Informationen der "Times" die Teilprivatisierung der britischen Post verschieben. Der Verkauf eines Anteils der Royal Mail ist auch innerhalb der Labour-Partei sehr umstritten. Außerdem will Brown nach Medieninformationen eine Untersuchung einleiten, die die britische Beteiligung am Krieg gegen den Irak unter die Lupe nimmt.

DPA
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