Großbritannien Chaos im Irak sucht Tony Blair heim

Seinen Geburtstag konnte Tony Blair nur wenig genießen: Nachdem bei einem Anschlag in Basra wieder britische Soldaten starben, fordern Kollegen und Opposition den Rückzug der Armee aus dem Irak - und den des Premiers aus der Regierung.

Eigentlich wollte Tony Blair in Ruhe seinen 53. Geburtstag feiern. Doch nach einem Druck auf den BBC-Knopf seiner Fernbedienung war es damit vorbei: In den Trümmern eines Wohnhauses im südirakischen Basra brannte am Samstag vor laufenden Kameras ein britischer Militärhubschrauber aus. Dazu ein wütender Mob, der Benzinbomben auf britische Panzer und Steine auf britische Soldaten schleuderte. Vier Tote in dem Hubschrauber, in den Straßen mindestens fünf tote Zivilisten, darunter zwei Kinder.

Und das alles nur einen Tag nach einer weithin umstrittenen Kabinettsumbildung und nur zwei Tage nach einer verheerenden Niederlage der regierenden Labour-Partei bei Kommunalwahlen. Einer Niederlage, für die Beobachter neben einer Reihe von Skandalen in der Blair-Regierung auch den Unmut in Teilen der Bevölkerung über das blutige Chaos im Irak verantwortlich machten. Der innenpolitische Druck auf Premierminister Tony Blair wächst. Politiker aller Parteien forderten mehr Klarheit zur künftigen Irak-Politik. Und in der Labour-Partei mehren sich die Stimmen, die einen Termin für den geplanten Rücktritt Blairs fordern.

Blairs Gegener werden immer lauter

"Je schlimmer es im Irak wird, desto stärker werden ihm Gegner Blairs in der eigenen Partei zusetzen", sagt der Kommentator der links-liberalen Sonntagszeitung "The Observer", Martin Bright. Und diese Gegner, so scheint es, werden immer mehr, immer lauter und immer mächtiger. "Wie lange wird sich Blair noch halten?" ist die meistdiskutierte Frage im Londoner Regierungsviertel Whitehall.

Noch bevor Blair-Opponenten durch die neuen schlimmen Bilder aus Basra Auftrieb bekamen, hatten sie dem Premier geschrieben. Rund 50 Abgeordnete der eigenen Partei stellten ihm per Brief ein Ultimatum: Blair solle klipp und klar sagen, wann er geht, oder er solle den Weg frei machen für eine offene Abstimmung in der Partei über die Nachfolge im Amt des Premierministers.

Der Premier wird zur "lahmen Ente"

Noch hat der Premier zwar die Mehrheit der Labour-Fraktion im Unterhaus hinter sich, doch sie bröckelt und damit schwindet Blairs Fähigkeit, Gesetzesvorhaben durch das Parlament zu bringen. Mehr und mehr wird der Premier zur "lahmen Ente". Dass daran die radikale Umbildung seiner Regierung am Freitag noch viel ändern kann, wird von Kommentatoren bezweifelt.

Vielmehr stehen Blair und sein innerparteilicher Rivale, Schatzkanzler Gordon Brown, wohl vor einem langen heißen Sommer des Machtkampfes. Darauf deutet das "Timing" des Ultimatums-Briefes hin: Innerhalb von drei Monaten soll Blair einen Plan für eine "würdevolle, ordentliche und effiziente Übergabe der Macht" vorlegen. "Wir haben derzeit einen erheblichen Mangel an Vertrauen in die Regierung", sagt Geraldine Smith, die zu den "Labour-Rebellen" und Unterstützern Gordon Browns gehört. "Um das Vertrauen wieder herzustellen, muss Tony Blair uns sagen, wann er zurücktritt und ein Nachfolger gewählt wird."

Labour soll gründlich erneuert werden

Brown und seine vor allem vom linken Flügel kommenden Parteisoldaten sehen die Chancen auf eine vierte Amtszeit für Labour schwinden, je länger der verbraucht wirkende Blair noch am Ruder ist. Parlamentswahlen müssen spätestens 2010 stattfinden. Bis dahin will Brown, wie er sagt, die Labour-Partei "gründlich erneuert" haben, so dass sie eine echte Chance bekommt, erneut Wahlen zu gewinnen.

Dabei ist auch Brown klar, dass die Krise der Labour-Regierung sich nicht nur durch Probleme im staatlichen Gesundheits- und im Bildungswesen oder durch mögliche neue Ministerskandale vertiefen könnte, sondern auch durch die Entwicklung im Irak.

Die Armee findet keine Soldaten mehr

Seit Beginn des Krieges verloren dort mehr als 100 britische Soldaten ihr Leben. Die Armee hat größte Schwierigkeiten, noch Soldaten zu rekrutieren. 57 Prozent der Briten und damit mehr denn je lehnen nach Umfragen, die vor dem jüngsten Debakel in Basra stattfanden, den britischen Truppeneinsatz ab.

Dass sich in einer solchen Situation Teile der Labour-Partei darin üben, Blair zu stürzen, bietet für den immer selbstbewusster auftretende Oppositionsführer David Cameron keinen Ausweg: "Sie üben sich in Komplotten, bekämpfen sich gegenseitig, statt für ihr Land einzustehen", sagte der frisch und dynamisch wirkende Tory- Vorsitzende. Großbritannien brauche keine Umbildung einer Labour- Regierung, "sondern einen politischen Machtwechsel".

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Thomas Burmeister/DPA