HINTERGRUND Jesus wichtiger als Marx

Daniel Ortega und die Sandinistische Nationale Befreiungsfront stürzten 1979 Nicaraguas Diktator Somoza. Jetzt steht der Sandinistenchef wieder zur Wahl - seine Chancen stehen nicht schlecht.

Rund zwei Millionen Wähler waren am Sonntag zur Wahl eines neuen Präsidenten sowie des Parlaments aufgerufen. Umfragen zufolge dürfte es zwischen den Präsidentschaftsbewerbern Daniel Ortega (55), dem Chef der Sandinisten, und Enrique Bolanos (73) von der regierenden konservativen Liberalen Partei ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben. Der ehemalige Präsident und Führer der Sandinisten-Revolution von 1979 Ortega hatte in zwei vorangegangenen Präsidentenwahlen sein Ziel einer Wiederwahl nicht erreicht. Der derzeitige Präsident Arnoldo Aleman scheidet im Januar 2002 aus dem Amt.

USA sehen Rückkehr Ortegas skeptisch

Auf die Erinnerung an die Revolution 1979 und die Beseitigung des Diktators Anastasio Somoza hatte Ortega während seines Wahlkampfs gesetzt und damit vor allem die breite Schicht der Armen des mittelamerikanischen Landes angesprochen. Die sozialistisch ausgerichtete Sandinisten-Regierung pflegte damals enge Beziehungen zu Kuba. Der Kampf der rechtsgerichteten Contra-Rebellen während des Guerrilla-Kriegs war von den USA finanziert worden, deren Präsident Ronald Reagan ein Wirtschaftsembargo gegen Nicaragua verhängte. Auch heute sehen die USA eine Rückkehr Ortegas Beobachtern zufolge skeptisch.

Bolanos unter Sandinisten im Gefängnis

Der 73-jährige Bolanos ist Geschäftsmann und als Konservativer ein klarer Gegner der Sandinisten und ihrer Politik. Zweimal war er unter den Sandinisten im Gefängnis und unterlag der von den Sandinisten organisierten Enteignungskampagne.

Sein Wahlkampfthema war, ein Comeback des Sandinisten-Chefs Ortega zu verhindern. »Wir erinnern uns, dass sie in den 80er Jahren die Souveränität des Landes den Kommunisten und Terroristen übereigneten«, sagte Bolanos auf der Abschlussveranstaltung seines Wahlkampfs.

70 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze

Mit einer Gesamtbevölkerung von rund fünf Millionen Menschen gehört Nicaragua mit einem Durchschnittseinkommen von weniger als 500 Dollar (etwa 1080 Mark) im Jahr zu den ärmsten Ländern. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung in dem Staat von der Größe des Bundesstaates New York leben unterhalb der Armutsgrenze.

Der Wahlakt am Sonntag begann vielerorts mit leichten Verspätungen. Gewalttätige Zwischenfälle wurden zunächst nicht bekannt. Erste Ergebnisse werden im Lauf der Woche erwartet.