Irak Wenig Grund zu Optimismus

Mehr als 100 Ausländer sind in den vergangenen Monaten im Irak entführt worden. Jetzt sind zwei US-Amerikaner und ein Brite in die Hände von Aufständischen gefallen. Nicht nur Kofi Annan fürchtet um die Zukunft des Landes.

In der irakischen Hauptstadt Bagdad sind am Donnerstag erneut westliche Ausländer Opfer von Entführungen geworden. Unbekannte brachten am Donnerstag beim Überfall auf ein Haus im wohlhabenden Stadtteil Mansur zwei US-Amerikaner und einen Briten in ihre Gewalt.

Nach Angaben des irakischen Innenministerium stürmten rund zehn bewaffnete Männer das Haus der entführten Ausländer bei Sonnenaufgang, feuerten dabei aber keinen Schuss ab. Augenzeugen zufolge wurden die Amerikaner und der Brite in einem Kleintransporter weggefahren. Nachbarn berichten, bei den dreien handele es sich um junge Männer, die als zivile Mitarbeiter von Firmen im Irak arbeiteten. Ihr Haus sei nur unzureichend von einem unbewaffneten Wachposten vor der Tür gesichert gewesen. Die Entführer rührten im Haus offensichtlich kaum etwas an: Ein Korrespondent der Nachrichtenagentur Reuters sah, dass nach der Entführung noch Computer und Klimaanlage liefen. Nur einige Schubladen schienen die Unbekannten durchwühlt zu haben.

Noch vier weitere europäische Geiseln

Im Irak sind in den vergangenen Monaten mehr als 100 Ausländer verschleppt worden. Rund zwei Dutzend Entführte wurden getötet, die Mehrzahl kam wieder frei. Derzeit befinden sich neben den beiden Amerikanern und dem Briten noch mindestens vier Europäer in der Gewalt von Geiselnehmern: zwei französische Journalisten und zwei italienische Mitarbeiterinnen einer Hilfsorganisation. Bei Bombenattentaten und Kämpfen sind allein in den vergangenen Tagen annähernd 200 Iraker ums Leben gekommen. Am Donnerstag entschärften Sicherheitskräfte eine 400-Kilo-Bombe, die in einem nahe der von den US-Truppen kontrollierten Grünen Zone abgestellten Auto entdeckt worden war.

Angesichts der anhaltenden Kämpfe und der Entführungsserie im Irak stellte der Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN), Kofi Annan, den für Januar vorgesehenen Termin für freie Wahlen erneut in Frage. Unterstützung erhielt er vom demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten, John Kerry, der ebenfalls bezweifelte, dass der Zeitplan eingehalten werden könne. US-Geheimdienste warnten die US-Regierung in einem vertraulichen Bereich vor einem Bürgerkrieg im Irak. Eine Kontroverse löste Annan mit der Äußerung aus, die von den USA angeführte Invasion im Irak sei illegal gewesen.

In der für US-Präsident George W. Bush angefertigten Analyse entwarfen die Geheimdienste nach Angaben aus Regierungskreisen drei Szenarien für die Entwicklung bis Ende 2005: Im schlimmsten Fall drohe in dem ölreichen Golfstaat ein Bürgerkrieg, im besten Fall entwickle sich ein Staat, dessen Sicherheitslage und politische wie wirtschaftliche Stabilität stark gefährdet seien. "Da gibt es offensichtlich wenig Optimismus", hieß es in den Kreisen.

Annan stellt Termin für Wahlen im Januar in Frage

Annan hatte sich bereits in der vergangenen Woche in einem Bericht an den UN-Sicherheitsrat skeptisch geäußert, dass der Wahltermin im Januar zu halten sei. Als Grund führte er die instabile Sicherheitslage an. Moslem-Extremisten und Anhänger des gestürzten irakischen Machthabers Saddam Hussein verüben immer wieder Anschläge im Irak. In einem am Mittwoch ausgestrahlten Interview des britischen Senders BBC wurde der UN-Generalsekretär noch deutlicher: "Man kann keine glaubwürdigen Wahlen abhalten, wenn die Sicherheitslage weiter so ist wie zurzeit." Die Ablösung der jetzigen irakischen Übergangsregierung durch eine gewählte Regierung ist eine zentrale Voraussetzung zur Umsetzung eines US-Plans, wonach der Irak selbst für Sicherheit im Land sorgen und die USA einen großen Teil ihrer Truppen abziehen sollen.

Alliierte weisen Annan-Kritik zurück

Annan zweifelte in dem BBC-Interview auch die Rechtmäßigkeit des Irak-Krieges an. "Ich habe angedeutet, dass er aus unserer Sicht nicht mit der UN-Charta vereinbar und unter diesem Gesichtspunkt (auch) illegal war", sagte der Generalsekretär. Vertreter der am Einmarsch mit Truppen beteiligten Staaten wiesen die Kritik zurück. "Die Rechtsauskunft, die wir zum damaligen Zeitpunkt hatten, war ganz klar, dass die Aktion in vollem Umfang durch internationales Recht gedeckt war", sagte der australische Regierungschef John Howard. Aus dem Büro des britischen Premierministers Tony Blair hieß es, der wichtigste Rechtsberater der Regierung, Lord Goldsmith, sei vor Beginn der Invasion im März 2003 zum selben Schluss gekommen.

Von der US-Regierung gab es keine offizielle Reaktion auf Annans Äußerungen. Doch der frühere Berater von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, Randy Scheunemann, sagte, Annan stehe es nicht zu, rechtliche Entscheidungen von UN-Mitgliedsländern in Frage zu stellen. "Dies 51 Tage vor einer amerikanischen Wahl zu tun, stinkt nach politischer Einmischung."

Reuters
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