"Sinnlos" meint Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurdardóttir zur ersten Volksabstimmung in Islands Geschichte. Staatspräsident Ólafur Ragnar Grímsson dagegen hält sie für "einen Sieg der Demokratie über den Kommerz". Die Bürger der Atlantikinsel sagten am Samstag mit mehr als 90 Prozent Nein zu einem Abkommen über die Tilgung riesiger Auslandsschulden in Großbritannien und den Niederlanden. Abgestottert werden die 3,8 Milliarden Euro trotzdem - vermutlich aber am Ende mit etwas erträglicheren Bedingungen als im letzten Jahr vereinbart.
Über diese Vereinbarung mit einem Jahreszins von 5,5 Prozent wurden 235 000 Stimmberechtigte bei Schneesturm an die Urnen gerufen. Dass praktisch alle ihr Kreuz hinter dem Nein machten, konnte niemand überraschen. Nach dem Total-Kollaps der isländischen Banken vor anderthalb Jahren sind die auf die Allgemeinheit abgewälzten Schulden der Internetbank Icesave in London und Den Haag zum Symbol für das Wirtschafts-Elend der Insel geworden.
"Briten und Niederländer müssen auch Verantwortung übernehmen", schimpfte Eiríkur Svarvarsson vom Komitee "Verteidigt Island" und brachte auch das Staatsoberhaupt auf seine Seite: Weil Präsident Grímsson sich im Januar weigerte, die von der Regierung fertig ausgehandelte Vereinbarung über Schuldenrückzahlungen zu unterzeichnen, musste das Referendum ausgeschrieben werden.
Das änderte sich auch nicht, als Briten und Niederländer ein neues Angebot mit verbesserten Zinsbedingungen vorlegten. Der Zorn der durch ihre Banken jetzt bis über die Halskrause verschuldeten Wikinger-Nachfahren richtet sich nach wie vor mehr gegen die Härte ausländischer Gläubiger als gegen heimische Wirtschaftsbosse.
Sie haben allen 320 000 Landsleuten mit größenwahnsinnigen Kreditabenteuern Schulden über 300 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung eingebrockt. Auf diesem Hintergrund gilt das Referendum in Reykjavik nicht zuletzt als Ventil für den Zorn vieler Bürger, die sich im Gefolge der Bankenkrise ihrer Ersparnisse, ihres Arbeitsplatzes oder in vielen Fällen auch ihrer Hoffnung auf ein Leben ohne horrende Schulden beraubt sahen.
Die sozialdemokratische Regierungschefin Sigurdardóttir hält das Referendum für einen lästigen populistischen Stolperstein bei der Lösung der akuten Schuldenkrise: "Man müsste mal ausrechnen, was die Verzögerung Island kostet." Sie hätte liebend gerne Ja gesagt zum letzten Angebot von Briten und Isländern, wurde aber von der bürgerlichen Opposition daran gehindert.
Jetzt verhandeln die Isländer in London weiter. Vor allem aber müssen sie weiter auf dringend benötigte Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der nordischen Partnerländer warten. Die sollen erst nach einer endgültigen Einigung über die Tilgung der Icesave-Schulden freigegeben werden.