Sonderermittler eingesetzt Wasser auf Trumps Mühlen – für Joe Biden könnten die Ermittlungen gegen seinen Sohn zum Problem werden

Die Anklage gegen seinen Sohn Hunter (l.) könnte für Joe Biden im Präsidentschaftswahlkampf zum Problem werden.
Die Anklage gegen seinen Sohn Hunter (l.) könnte für Joe Biden im Präsidentschaftswahlkampf zum Problem werden.
© Andrew Harnik / DPA
Die Ermittlungen gegen Hunter Biden werden zum Problem für den US-Präsidenten Joe Biden und geben den Republikanern um Donald Trump Auftrieb. Falls die Ermittlungen nicht zum gewünschten Ergebnis führen, sorgt man bei der Grand Old Party bereits vor.

Ende Juni schien die Welt von Hunter Biden noch halbwegs in Ordnung. In Delaware, dem Heimatstaat der Bidens, machte die Staatsanwaltschaft zwar formale Vorwürfe gegen den Sohn von US-Präsident Joe Biden öffentlich, gleichzeitig wurde aber auch eine Vereinbarung zwischen der Justiz und den Anwälten des 53-Jährigen publik. Hunter Biden habe sich bereiterklärt, sich in Bezug auf die Steuervergehen schuldig zu bekennen und in Bezug auf das Waffendelikt eine Vereinbarung mit bestimmten Bedingungen einzugehen, um einen Prozess abzuwenden, hieß es damals. Konkret wurde Biden vorgeworfen, in den Jahren 2016 und 2017 eine Einkommenssteuer in Höhe von jeweils 100.000 Dollar zu spät gezahlt zu haben. Auch soll er beim Kauf einer Waffe 2018 seine Drogenvergangenheit verschwiegen haben. Der Sohn des US-Präsidenten hatte seine Drogenabhängigkeit 2021 in einem Buch selbst eingestanden.

Doch was nach einem Ende einer mehrjährigen Ermittlung aussah, nimmt nun eine ungeahnte Wendung. Denn um einen Prozess abzuwenden, muss ein Gericht die Vereinbarung zwischen Staatsanwaltschaft und Biden absegnen – tat das aber nicht. Bereits Ende Juli brachte eine Richterin Einwände gegen den Deal vor und erlaubte diesen vorerst nicht. Stattdessen folgte eine Ausweitung der Ermittlungen, wie der US-Justizminister Merrick Garland am Freitag bestätigte. David Weiss, der als Staatsanwalt in Delaware die Ermittlungen gegen Hunter Biden seit 2018 leitet, wurde von Garland zum Sonderermittler berufen. Er sei von Weiss darüber informiert worden, dass "die Ermittlungen seines Erachtens ein Stadium erreicht hätten, in dem er seine Arbeit als Sonderermittler fortsetzen" müsse, erklärte Garland am Freitag. Die Einsetzung als Sonderermittler gibt Weiss nun zusätzliche Befugnisse. Unter anderem darf er nun bundesweit Ermittlungen anstellen. Was genau Weiss zu dieser neuen Einschätzung bewogen hat, ist bislang unbekannt.

Joe Bidens Wahlkampf wird durch Ermittlungen belastet

Für US-Präsident Joe Biden kommen die Ermittlungen gegen seinen Sohn zur Unzeit. Zwar betont der US-Präsident, wie auch bei den Anklagen gegen Donald Trump, sich zum Fall nicht äußern zu wollen, dennoch wirft die Ermittlung gegen den Sohn eines US-Präsidenten auch immer ein schlechtes Licht auf das Weiße Haus, erst recht 15 Monate vor der Präsidentschaftswahl und somit mitten im Wahlkampf. Zumal Biden, obwohl immer sehr zurückhaltend, sich dennoch gelegentlich zu den Vorwürfen gegen seinen Sohn äußert. "Er hat nichts falsch gemacht", erklärte Joe Biden im Mai im Gespräch mit MSNBC – einen Monat später bekannte sich Hunter in der Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft schuldig. "Es ist schwer zu sagen, dass Hunter Biden unschuldig ist, wenn dieser sich bereits schuldig bekannt hat. Das ist in so einer Situation nicht hilfreich", erklärte David Axelrod, ein ehemaliger politischer Berater von Barack Obama, gegenüber der "Washington Post".

Die neuen Entwicklungen bestärken die Arbeit der Republikaner, allem voran Ex-Präsident Donald Trump, die schon seit Jahren versuchen zu beweisen, dass Joe Biden in die Geschäftsbeziehungen seines Sohnes verstrickt ist. Trump erhob gleich mehrfach die Vorwürfe, dass Joe Biden korrupt und in die Geschäfte seines Sohnes in China und der Ukraine verwickelt gewesen sei – Belege dafür lieferte weder Trump noch ein anderer Republikaner. Die Bekanntgabe der Ermittlungen gegen Hunter Biden kam Trump dagegen am Freitag nur recht. Denn mehr oder weniger gleichzeitig erließ in Washington eine Richterin eine Schutzanordnung, die es Trump verbietet, in seiner Anklage wegen des Sturms auf das Kapitol sensible Informationen zu veröffentlichen. Der Maulkorb für den ehemaligen US-Präsidenten ging jedoch fast unter.

Dabei könnten die Straftaten nicht unterschiedlicher sein: Gegen Hunter Biden wird bislang wegen zwei Ordnungswidrigkeiten (Einkommenssteuer) sowie einer Straftat (Waffenbesitz) ermittelt, Trump hingegen ist nicht nur wegen wegen des Versuchs, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 zu kippen, angeklagt, sondern auch wegen seines Umgangs und dem Besitz von sensiblen Geheimdokumenten, die er auf seinem Sitz in Mar-a-Lago lagerte. Biden ist dazu eine Privatperson, Trump auf dem Weg zu einer weiteren Präsidentschaftskandidatur.

Je nach Lauf der Ermittlungen gegen Hunter Biden könnte sein Prozess zu einem Zeitpunkt im kommenden Jahr stattfinden, an dem auch Trump vor Gericht steht. Statt der geballten medialen Aufmerksamkeit auf den mutmaßlichen Straftaten Trumps zu haben, sieht sich Bidens Wahlkampfteam nun auch  vor die Herausforderung gestellt, den amtierenden Präsidenten bestmöglich aus dem Interesse am Gerichtsprozess des Sohnes herauszuhalten. "Nach fünf Jahren der Ermittlungen gegen Hunter Biden scheint es unwahrscheinlich, dass David Weiss noch neue Beweise entdecken wird", sagte David Axelrod gegenüber der "New York Times". Allerdings sei auch alles, was Aufmerksamkeit auf den Fall des Biden-Sohns lenke und sich womöglich noch ins Wahljahr 2024 ziehe "unwillkommene Nachrichten" für das Team des Präsidenten. Zumal Biden beständig an Boden in Wahlumfragen verliert. Zuletzt hatte Trump in Erhebungen einen kleinen Vorsprung gegenüber dem Amtsinhaber.

Republikaner wünschen sich Sonderermittler – und attackieren ihn

Für die Republikaner hingegen stellt sich die Frage, wie man mit der Berufung des Sonderermittlers umgehen soll, den die Republikaner seit Monaten gefordert haben. Weiss, einst selbst von Trump zum Staatsanwalt in Delaware berufen, hat die Ermittlungen gegen Hunter Biden seit Beginn geleitet, sein Deal mit dem 53-Jährigen war von Republikanern aber scharf kritisiert worden. Obwohl die Republikaner im Kongress seit geraumer Zeit die Ermittlungen gegen den Präsidenten-Sohn vorantreiben, ist die Berufung Weiss' nicht im Sinne der Grand Old Party. "Weiss hat vier Jahre gegen Hunter ermittelt und hat mit ihm den süßesten aller süßen Deals geschlossen", ätzte Trump auf seinem Netzwerk Truth Social. "David Weiss darf man nicht vertrauen, und das ist nur ein weiterer Versuch, die Korruption in der Biden-Familie zu vertuschen", echauffierten sich die Republikaner aus dem House Judiciary Committee, einem ständigen Rechtsausschuss im Repräsentantenhaus. Weiss habe einen so unfassbaren Deal mit Hunter Biden geschlossen, dass er von einem Bundesrichter abgelehnt worden sei. heißt es.

Die Attacken auf Weiss sind auch bereits eine neue Taktik der Republikaner. Denn wenn die Sonderermittlungen nicht zum gewünschten Ergebnis der Grand Old Party führen, können sie so darauf verweisen, dass Weiss von vornherein keine "gute Lösung" für die Ermittlungen gewesen sei. Zumal der Einsatz eines Sonderermittlers nur bedingt den Wünschen der Republikaner entsprechen kann. In einer Reuters-Umfrage erklärten Ende Juni 50 Prozent der Amerikaner, dass Hunter Biden eine Bevorzugung in Form des Deals mit der Staatsanwaltschaft bekommen habe. Demnach glaubten drei Viertel der republikanischen Wähler, das der Präsidenten-Sohn eine bevorzugte Behandlung von der Justiz bekommen hat – dem stimmte nur jeder dritte demokratische Wähler zu. Mit einem Sonderermittler aber wirkt das Justizministerium genau diesen Vorwürfen entgegen.

Gleichzeitig aber begrüßten viele republikanischen Abgeordneten die neuen Entwicklungen in dem Fall. "Es belegt, dass es mehr als nur Rauch gibt", erklärte Douhlas Heye, ein republikanischer Berater, gegenüber der "New York Times". Es sei nunmehr unmöglich, die Ermittlungen als eine Sache der Republikaner abzutun. Die Ermittlungen müssten nun anders angegangen werden. "Die amerikanische Bevölkerung verdient Antworten, und ich begrüße die Berufung", erklärte Präsidentschaftskandidat Mike Pence auf der Iowa State Fair in Des Moines. Es sei an der Zeit, dass ein Sonderermittler herausfinde, was nicht nur Hunter Biden, sondern die ganze Biden-Familie gemacht habe. "Ich glaube, es gibt genug Beweise die belegen, dass Joe Biden nicht ehrlich zu den Amerikanern war und er davon wusste, dass seine Familie in Geldwäsche verwickelt ist", behauptete der republikanische Abgeordnete James Comer bei CNN. Beweise für die Behauptungen konnten aber weder Pence noch Comer vorlegen. Der Schaden für Joe Bidens Ruf aber dürfte auch ohne Beweise enorm sein – ganz im Sinne der Republikaner.

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