Giftgas-Opfer in Syrien Die dramatische Schilderung eines Vaters, der seine ganze Familie verlor

Abdel Hamid al-Jussuf hält nach dem Luftangriff auf Chan Scheichun in Syrien die leblosen Körper seiner Babys in den Armen
Abdel Hamid al-Jussuf hält nach dem Luftangriff auf Chan Scheichun in Syrien die leblosen Körper seiner Babys in den Armen
© Alaa Alyousef/AP
Abdel Hamid al-Jussuf überlebte den Horror von Chan Scheichun, doch er verlor seine Frau, seine kleinen Kinder, seine Geschwister, Nichten und Neffen. Journalisten berichtet er von dem dramatischen Versuch, seine Familie zu retten.

Es ist 6.40 Uhr am frühen Morgen, als Abdel Hamid al-Jussuf von einem Luftschlag nahe seines Hauses geweckt wird. Wie viele Menschen in der Nachbarschaft der Stadt Chan Scheichun schlafen Abdel und seine Familie noch, als die ersten Bomben einschlagen. Der junge Syrer eilt zu seinen beiden neun Monate alten Zwillinge Ahmad und Aya. Sie sind unversehrt. Es folgen zwei weitere Luftschläge in der unmittelbaren Nachbarschaft. Abdels gibt die Zwillinge seiner Frau und bittet sie im Haus Schutz zu suchen. Er selbst geht raus, um anderen zu helfen. Noch ahnt er nicht, dass sich draußen Giftgas ausbreitet. So berichtet es der Überlebende einem syrischen Journalisten. Auch CNN hat er seine Geschichte erzählt.

Das Haus von Abdels Eltern liegt direkt gegenüber, das seines Onkels unweit daneben. Als er bei seinen Nachbarn ankommt, sieht er Menschen auf dem Boden liegen. Zusammen mit anderen Helfern beginnt er, Verletzte abzutransportieren. Anhand der Symptome ahnt Abdel, dass es sich um Giftgas handeln muss. Er setzt eine Gasmaske auf, erzählt er.

Das Grauen im Haus seiner Eltern

Als das erste Fahrzeug mit Verletzten abfährt, eilt er zum Haus seiner Eltern. Bereits auf der Türschwelle findet er mehrere Leichen vor. Sein Bruder und dessen jüngster Sohn sind tot. Aus ihrem Mündern kommt weißer Schaum, ihre Körper sind blau verfärbt und zucken, erzählt Abdel. Im ganzen Haus liegen Leichen. Mehrere seiner Geschwister, deren Kinder, Abdels Nichten und Neffen. Beim Versuch, eine verletzte Nichte aus dem Haus zu tragen, kollabiert er selbst. Einige Nervengifte können nicht nur über die Atemwege, sondern auch über die Haut aufgenommen werden. Seine Nichte wird nicht überleben. 

Andere Helfer finden Abdel und bringen ihn in ein Krankenhaus. Wie lange er dort bleibt, weiß er nicht mehr. Ihm wurde gesagt, dass es seiner Familie gut gehe, berichtet Adbel. Als er nach Hause zurückkehrt, fragt er nach ihnen. "Sie brachten mir meine Kinder, Aya und Ahmand. Sie waren tot", erzählt er unter Tränen. Das Foto von dem verzweifelten Vater, der seine beiden leblosen Babys in den Armen hält, verbreitete sich rasant über soziale Netzwerke. "Als ich fortging, waren sie unversehrt. Ich ging raus, um Verletzten zu helfen und als ich zurückkomme, sind sie tot." Auch seine Frau stirbt bei dem Angriff. Erstickt an den Folgen des Nervengifts. Giftgas sammelt sich vermehrt in Bodennähe. Häuser oder Schutzkeller bieten zwar vor herkömmlichen Bombardements einen gewissen Schutz. Wird aber Giftgas eingesetzt, werden sie zur Todesfalle.

"Meine ganze Familie ist tot"

Insgesamt 25 Familienmitglieder verliert Abdel nach eigenen Angaben bei dem Luftangriff. Lokale Medien berichten laut CNN von mindestens 19 toten Angehörigen. "Meine ganze Familie ist tot", erzählt er CNN. Ein Video im Netz zeigt ihn, wie er weinend an den Gräbern seiner Kinder und seiner Frau steht. Freunde stützen ihn. Immer wieder bricht er zusammen. Auch die elfköpfige Familie von nebenan, Freunde von Abdel und seiner Frau, überleben die Attacke ihm zufolge nicht. "Warum tun die uns sowas an?", fragt er immer wieder unter Tränen. "Was soll meine kleine Aya ihnen getan haben?"

Augenzeugen in Chan Scheichun: "Mein Vater fiel zu Boden und zitterte. Meine Mutter schrie."
"Mein Vater fiel zu Boden und zitterte. Meine Mutter schrie."