Der Termin für die vorgezogene Präsidentenwahl in Polen ist nunmehr offiziell: Am 20. Juni sind die Bürger aufgerufen, über den Nachfolger des bei einem Flugzeugabsturz getöteten Lech Kaczynski abzustimmen. Das amtierende Staatsoberhaupt Bronislaw Komorowski habe die entsprechenden Dokumente unterzeichnet, sagte sein Sprecher am Mittwoch, wobei der Zeitrahmen für die Neuwahlen durch die Verfassung vorgegeben war. Turnusgemäß hätte die Abstimmung eigentlich erst im Oktober stattfinden sollen.
Komorowski, der als Parlamentspräsident automatisch die Amtsgeschäfte des Staatsoberhaupts nach dessen Tod übernahm, geht als Favorit in die Wahl. Er galt schon vor dem Flugzeugabsturz als aussichtsreichster Herausforderer Kaczynskis, der eigentlich wieder antreten wollte. Ob nun Kaczynskis Zwillingsbruder Jaroslaw antritt, ist noch nicht klar.
Einer am Dienstag veröffentlichte Umfrage des Instituts TNS OBOP zufolge würden sich für Komorowski, den Kandidaten der Bürgerplattform von Ministerpräsident Donald Tusk, 55 Prozent der Wähler entscheiden. Auf Jaroslaw Kaczynski von der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) würden 32 Prozent der Stimmen entfallen. Auch gegenüber allen anderen potenziellen Kandidaten liegt Komorowski deutlich in Führung.
Wenn bei der Abstimmung am 20. Juni keiner der Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen erhält, wäre eine Stichwahl am 4. Juli nötig.
Der polnische Präsident hat vor allem repräsentative Aufgaben, kann aber Regierungsentscheidungen durch ein Veto-Recht blockieren. Kaczynski machte davon mehrfach Gebrauch. Da Komorowski im Gegensatz zu Kaczynski dem Lager von Ministerpräsident Tusk angehört, dürfte er als Präsident die Regierungspolitik weit weniger bremsen. Tusk steht für marktwirtschaftliche Reformen und Privatisierungen, für ein besseres Verhältnis zu Russland und eine möglichst schnelle Einführung des Euro.
Der 57-jährige Komorowski ist Historiker. Während der Zeit des Kommunismus war er in pro-demokratischen Untergrundgruppen tätig und wurde unter dem 1981 verhängten Kriegsrecht inhaftiert. Seit dem Zusammenbruch des Kommunismus ist er Mitglied des polnischen Parlaments und war von 2000 bis 2001 Verteidigungsminister. Er ist verheiratet und hat fünf erwachsene Kinder.