US-Präsidentschaftswahl Schwarz, weiblich, erfolglos: Warum bleibt Kamala Harris Joe Bidens Vizekandidatin?

Kamala Harris
Kamala Harris: Aus der natürlichen Biden-Nachfolgerin ist die natürliche Biden-Vize geworden.
© Stefani Reynolds / AFP
Kamala Harris will noch einmal US-Vizepräsidentin werden – wie schon 2020 an der Seite von Joe Biden. Doch bisher ist die 58-Jährige in ihrem Amt eher blass geblieben und bei den Wählern nicht sonderlich beliebt. Warum hält Biden dennoch an ihr fest?

Schwer vorstellbar, dass etwas goldener hätte glänzen können als die Zukunft von Kamala Harris. Die kühnsten Gedankenspiele sahen vor, dass sie nach zwei Jahren im Amt als Nummer zwei der USA an die Spitze des Staates rücken würde. Weil Joe Biden dann ja schon 80 Jahre alt wäre und das Land ohnehin überreif sei für eine Frau im Oval Office. Hätte dieser Plan je existiert, wäre ungefähr jetzt der Zeitpunkt für seine Umsetzung. Doch statt Platz zu machen, möchte Joe Biden noch vier Jahre weiterregieren. Und Kamala Harris muss da bleiben, wo sie ist: nämlich an seiner Seite als US-Vizepräsidentin.

Kamala Harris war oft die Erste

Nun gibt es für politisch ambitionierte Menschen weitaus trostlosere Karrieren als Vizepräsidentin der USA zu sein. Dennoch gilt der Posten vielen nur als Sprungbrett an die Spitze. Kamala Harris macht da keine Ausnahme, schließlich hatte sie vor einigen Jahren selbst vor, US-Präsidentin zu werden. Dafür brachte sie auch alles Nötige mit: Intelligenz, eine einnehmende Art sowie ein Leben geführt als Inbegriff des Aufstiegsversprechens: Tochter von (indisch-jamaikanischen) Einwanderern, erste Bezirksstaatsanwältin von San Francisco, später erste asiatische Amerikanerin als Justizministerin von Kalifornien.

Nachdem sie dann auch als erste US-Vizepräsidentin vereidigt worden war, vertraute ihr Biden schnell ein paar größere Aufgaben an, als für dieses Grüßaugust-Amt eigentlich vorgesehen sind. In ihrem Fall war es die Einwanderung und Südgrenze. Undankbares Thema zwar, aber eben auch mit Potential zur Profilierung. Nutzen konnte sie es nicht. Die natürliche Biden-Nachfolgerin macht eine erstaunlich schwache Figur, was sowohl an ihrem erstaunlich umtriebigen Vorgesetzten liegt als auch an ihrem ungeschickten Umgang mit dem eigenen Team.

Chaotisches Umfeld

Während Joe Biden Billionen von Dollar für die marode Infrastruktur organisiert, mit Subventionen Hightech-Industrie ins Land lockt, die Arbeitslosigkeit senkt und die USA international wieder zu einem verlässlichen Partner macht, waren aus Harris' Büro eher Frustgeräusche und Türenschlagen zu hören. Nach ihrer gescheiterten Präsidentschaftskampagne sprachen ehemalige Mitarbeiter davon, dass die Arbeit chaotisch organisiert sei, ähnliche Klagen gab und gibt es auch, seitdem sie im Weißen Haus sitzt.

"Es liegt in der Natur des Amts, dass viel der Arbeit, die Harris leistet, nicht immer zu sehen ist", sagt Karen Finney, die 2016 für die Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton gearbeitet hat. Studien zufolge gehen viele Wähler zudem davon aus, dass Männer in vergleichbaren Positionen für den Job automatisch qualifiziert sind, während sich Frauen immer erst einmal beweisen müssen.

Unbeliebt wie Donald Trump

Der Blick auf die Umfragen stützt diese Einschätzung: Denn in kaum einer der wichtigen Rubriken wie Beliebtheit, Zustimmung und Zufriedenheit schneidet Harris sonderlich gut ab. Unter den Spitzenpolitikern aus beiden Lagern gehört sie zu den unbeliebtesten – zusammen mit Donald Trump. Mit dem für sie unschönen Nachteil, dass sie ein direktes Duell mit dem Ex-Präsidenten sogar noch verlieren würde. 

Nichtsdestotrotz hält Joe Biden an ihr als "Running Mate" fest, wie die Vizekandidaten in den USA genannt werden. In dem kurzen Video, in dem der US-Präsident seine erneute Kandidatur bekannt gibt, ist Kamala Harris auffallend häufig zu sehen. Es gibt also keinen Zweifel daran, dass sich das Team auch Ende 2024 erneut zur Wahl stellen wird. Die Gründe dürften auch wahltaktisch motiviert sein: Kamala Harris wirkt neben Joe Biden trotz ihrer 58 Jahre beinahe jugendlich. Sie spricht die zahlreichen nichtweißen Wähler an, und: Sie ist eine Frau. Im immer noch männerklüngeligen politischen Washington kann das ein wahlentscheidender Faktor sein.

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