In der Ukraine, die ein großes Problem mit Korruption hat, gehen die Behörden schärfer gegen Verdächtige vor: Ermittler durchsuchten am Mittwoch mehrere Objekte. Darunter waren nach Angaben eines hohen Behördenvertreters die Wohnhäuser des Oligarchen Ihor Kolomojskyj, eines ehemaligen Ministers sowie Steuerbüros in der Hauptstadt Kiew durchsucht. Kolomojskyj stand früher dem heutigen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj nahe.
Der Chef von Selenskyjs Partei "Diener des Volkes", David Arachamia, schrieb in Onlinediensten, dass unter anderem die Häuser des einflussreichen Milliardärs Kolomojskyj und von Ex-Innenminister Arsen Awakow durchsucht worden seien. Zudem sei die Leitung der Zollbehörde entlassen worden. Auch hohe Vertreter des Verteidigungsministeriums hätten Besuch von Ermittlern erhalten, teilte Arachamia mit.
Oligarch unterstützte Selenskyj im Wahlkampf
Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU veröffentlichte Bilder von der Hausdurchsuchung bei Kolomojskyj. In dem Fall soll es um Veruntreuung von 40 Milliarden ukrainischen Hrywnja (umgerechnet rund eine Milliarde Euro) gehen.
Kolomojskyj steht auf einer Sanktionsliste der USA und genießt seit Jahren einen zweifelhaften Ruf. Kolomojskyj unterstützte den heutigen Präsidenten Selenskyj während dessen Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2019. Die beiden blieben eine Zeit lang eng befreundet, später ging Selenskyj aber auf Distanz zu Kolomojskyj.
"Das Land wird sich durch den Krieg verändern, und wenn jemand nicht bereit für Veränderungen ist, wird der Staat ihn dazu bringen, sich zu verändern", erklärte Innenminister Arachamia nach den Razzien mit Blick auf den Kampf gegen die Korruption im Land.
Korruption bei der Armee
Infolge eines mutmaßlichen Korruptionsskandals in der ukrainischen Armee waren vergangene Woche mehrere Vize-Minister, Gouverneure und hochrangige Beamte zurückgetreten oder entlassen worden. Den Ausschlag für die Entlassungswelle gab unter anderem der in Medienberichten vorgebrachte Vorwurf, das ukrainische Verteidigungsministerium habe für die Soldaten Lebensmittel zu deutlich überhöhten Preisen eingekauft.
Vor Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine vor fast einem Jahr war das Land regelmäßig von Korruptionsskandalen erschüttert worden. Auf dem Korruptions-Index der Organisation Transparency International rangierte das Land vor Beginn des Krieges auf Platz 122 von 180.
Die Bekämpfung der Korruption ist eine der wichtigsten Forderungen Brüssels für den von Kiew angestrebten Beitritt zur Europäischen Union.