Kelly-Affäre Freispruch für Blair

Im Abschlussbericht zum Selbstmord des Waffenexperten David Kelly hat Lordrichter Hutton Tony Blair von einer konkreten Mitschuld freigesprochen. Auch der Vorwurf, Blair habe die Irak-Gefahr absichtlich aufgebauscht, sei unbegründet.

Der britische Premierminister Tony Blair hat die wohl schwerste Probe seiner Regierungszeit überstanden: In dem am Mittwoch vorgelegten Bericht der Untersuchungskommission zum Selbstmord des Waffenexperten David Kelly wird Blair von jeglicher Verantwortung freigesprochen. Zudem erklärte Lordrichter Hutton einen BBC-Bericht, wonach die Regierung Geheimdienstinformationen über Irak vor dem Krieg aufbauschte, für unhaltbar. Wenige Stunden später kündigte der BBC-Vorstandsvorsitzende Gavyn Davies seinen Rücktritt an.

"Man hat mich gelehrt, dass man sich seinen Schiedsrichter nicht aussuchen kann und dass die Entscheidung des Schiedsrichters endgültig ist", sagte Davies laut einem Bericht der britischen Nachrichtenagentur PA mit Blick auf Huttons Schlussfolgerungen. Er werde Blair schriftlich bitten, seinen Rücktritt anzunehmen.

Fehler eingeräumt

Zuvor hatte BBC-Direktor Greg Dyke Fehler in der Kelly-Affäre eingeräumt und sich bei der Regierung entschuldigt. "Gewisse Schlüsselbehauptungen" in dem umstrittenen Bericht seien falsch, sagte Dyke. Blair kritisierte die BBC nach der Vorlage des Hutton-Berichts scharf. In einer Rede vor dem Parlament sagte der Premierminister: "Die Behauptung, dass ich oder sonst irgendjemand dieses Haus belogen hätte oder das Land durch eine Verfälschung von Informationen über Massenvernichtungswaffen irregeführt hätte, ist die eigentliche Lüge."

Behauptung war gegenstandslos

Der BBC-Reporter Andrew Gilligan hatte im Juni nach einem Gespräch mit Kelly unter Berufung auf einen hochrangigen Beamten berichtet, die Regierung habe Informationen über irakische Massenvernichtungswaffen bewusst aufgebauscht, um den Irak-Krieg zu rechtfertigen. Diese Behauptung sei völlig gegenstandslos gewesen, urteilte Hutton in seinem Untersuchungsbericht. Kelly nahm sich wenige Tage, nachdem sein Name als Quelle des Rundfunkberichts genannt worden war, das Leben.

Kellys Name war vom Verteidigungsministerium an die Öffentlichkeit gebracht worden. Der Regierung wurde deshalb vorgeworfen, ihren langjährigen Mitarbeiter enormem Druck ausgesetzt und ihn dadurch in den Selbstmord getrieben zu haben.

Reaktion war nicht vorhersehbar

Hutton erklärte dazu, er sei überzeugt, dass keine der in seinem Bericht genannten Personen eine solche Reaktion jemals hätte in Erwägung ziehen können. Kelly habe zwar unter erheblichem Druck gestanden, aber die Konsequenz, die er daraus gezogen habe, sei für niemanden absehbar gewesen. Das Verteidigungsministerium hätte ihm allerdings mehr moralische Unterstützung zukommen lassen sollen.

Der Lordrichter warf der BBC vor, wichtige Fakten nicht überprüft zu haben. Auch die in dem Bericht erhobenen Vorwürfe gegen den im Sommer zurückgetretenen Kommunikationschef der Regierung, Alastair Campbell, wies Hutton zurück. Kellys Gespräch mit BBC-Reporter Gilligan war nach Ansicht des Lordrichters unangemessen: Als Regierungsberater hätte er seine Vorgesetzten über das Treffen informieren müssen, urteilte Hutton.

Untersuchung zur Quelle der "Sun" gefordert

Zu einer gezielten Indiskretion kam es auch im Zusammenhang mit dem Hutton-Bericht selbst: Teile des Untersuchungsberichts wurden bereits vorab in der Zeitung "The Sun" veröffentlicht. Mehrere Parlamentarier forderten eine Untersuchung, wer die Quelle gewesen sein könnte.