Gott habe sogar ihr verziehen, ließ Iris Robinson im Dezember verkünden. Die Affäre wäre das schlimmste gewesen, was sie je getan habe, sie habe um ihr Verhältnis zum Schöpfer gefürchtet, aber er habe sie getröstet.
Es war eine seltsame Pressekonferenz, die ihr Mann, der nordirische Regierungschef Peter Robinson, anlässlich dieser Erklärung seiner Ehefrau abhielt. Auch er habe seiner Ehefrau verziehen, sie sei krank, die schwere Depression werde weiter behandelt. Besserungswünsche erreichten das Ehepaar. Sylvester kam und ging.
Der Metzgerssohn und der Politskandal
Und dann wurde die Geschichte wirklich bemerkenswert. Als erstes erfuhren die Briten, dass die Affäre keine gewöhnliche Liebschaft mit einem Bekannten war. Liebhaber der 59-jährigen Mrs. Robinson war ein Mann, heute 21, der zum Zeitpunkt der ersten Turteleien gerade mal 19 Jahre alt war.
Kirk McCambley ist der Sohn eines bekannten Metzgermeisters in Belfast. Bei seinem Vater Billy kauften die Wichtigen und Schönen ein, also auch Iris Robinson. Billy McCambley starb 2008 an Krebs, Kirk ging es sehr schlecht. Iris Robinson hatte dem Vater versprochen, sie würde sich um seinen Sohn kümmern. Sie kannte ihn seit seinen Grundschultagen. "Sie hat sichergestellt, dass ich ok war", sagte Kirk McCambley in einer Sendung der BBC. Er sagt, sie sei immer für ihn dagewesen in dieser Zeit.
Doch das war noch nicht alles, was die Briten über Frau Robinson hörten. Ihr ehemaliger Berater, Selwyn Black, Royal Airforce Hauptmann, packte ebenfalls in einer BBC-Sendung aus. Und was er dort erzählte, machte aus einer tragisch-seltsamen Ehegeschichte einen handfesten politischen Skandal.
Liebestolle First Lady
Mrs. Robinson kümmerte sich im Jahre 2008 nicht nur um das seelische und andere Wohl von Kirk McCambley. Sie verhalf ihm auch zur Pacht eines attraktiven Cafés am Lagan-Fluss in Castlereagh – und zu einem 50.000-Euro-Kredit für die Renovierung. Das Pikante: Als Politikerin saß sie in dem Ausschuss, der über die Vergabe der Pacht entschied und vermied es, ihren Interessenkonflikt bekannt zu machen. Und die 50.000 Euro waren Teil einer 55.500-Euro-Spende zweier Bauherren, über deren Projekte Frau Robinson in weiteren Ausschüssen zu entscheiden hatte.
Ganz abgesehen davon, dass sie von dem Geld gleich 5500 Euro für sich selber abzweigte – Frau Robinson versäumte es auch, die Zuwendungen überhaupt wie gesetzlich vorgeschrieben als Parteispenden zu deklarieren. Ihr Berater Black sagte in der BBC-Sendung: "Sie hat das Vertrauen ihrer Wähler missbraucht, sie hat mein Vertrauen missbraucht und meine Stellung."
Hauptmann Black musste in den Monaten der Affäre nicht nur Frau Robinson decken, sondern auch eine Reihe sehr seltsamer Textnachrichten über sich ergehen lassen. Denn in einer nächsten Wendung der Geschichte entschied Frau Robinson aus bisher unerklärten Gründen Ende 2008 plötzlich, die Affäre zu beenden, wie sie in einer SMS an ihren Berater Black bekannt gab: "Habe gerade alle Verbindungen zu Kirk abgebrochen. Die Stimme Gottes war dazu sehr deutlich. Er hat es ganz gut aufgenommen. Ich weniger."
"Und wo ist Gott in all dem?"
Dann wollte sie, dass der junge Mann ihr bis Weihnachten das Geld zurückzahlen sollte: "Ich werde nicht weich werden, bis er mir die 50 000 Euro zurückgezahlt hat." Black schrieb zurück: "Und wo ist Gott in all dem?"
Robinson wollte, vielleicht als Antwort auf diese Frage, ein Teil des Geldes ihrer Pfingstgemeinde spenden. Das Ehepaar Robinson ist in Nordirland vor dieser Geschichte vor allem für ihre evangelikale Moral bekannt gewesen. In einer Radio-Sendung sagte Iris Robinson zum Beispiel, Homosexuelle seien "eine Abscheulichkeit auf der Stufe von Pädophilie" und verursachten ihr Übelkeit.
Ihr Ehemann Peter Robinson verkündete angesichts dieser Enthüllungen, er habe Weihnachten 2008 von der Affäre und der Geldsache erfahren. Er habe seiner Frau sofort geraten, das Geld an die Spender zurückzuzahlen. Als wenige Monate später Familienmitglieder Briefe mit Details über die Affäre fanden, versuchte Iris Robinson sich am 1. März 2009 das Leben zu nehmen.
Skandal könnte Friedensprozess beeinträchtigen
Zur Zeit wird sie in Belfast psychiatrisch behandelt, lautet eine der letzten Verlautbarungen von Peter Robinson. In der vergangenen Woche wurde seine Frau aus der Partei der Unionisten ausgeschlossen, ihre Ämter hatte sie da schon ruhen lassen. Doch inzwischen ist die Affäre der Mrs. Robinson zu einer Regierungskrise in Nordirland geworden.
Die Partei der Unionisten ist bekannt für ihre harten Moralvorstellungen, der langjährige Regierungschef Ian Paisley ist Gründer der First Presbyterian Church. Deren Vorsitzender verlangte nun Robinsons Rücktritt. Und während sich die Gegner von Robinson formieren, wird immer mehr bekannt über das besondere Finanzgebaren des Ehepaares: Die beiden Politiker verdienten im Jahr weit über 650.000 Euro aus verschiedenen Ämtern, in ihren Büros arbeiteten alle drei ihrer Kinder plus eine Schwiegertochter. Der britische Steuerzahler bezahlte der Familie Robinson weit über 350.000 Euro Spesen jedes Jahr.
Jetzt reagierte der Regierungschef auf den öffentlichen Druck und legte all seine Ämter vorübergehend nieder. Die Situation könnte nicht zu einem schlechteren Zeitpunkt kommen: Der Friedensprozess steckt in einer kritischen Phase. Sinn Féin, der politische Arm der IRA, verlangt seit Monaten, Befugnisse für Polizei und Justiz von London endlich an das nordirische Parlament abzugeben. Die Unionisten, die für ein Verbleiben Nordirlands in Großbritannien sind, wollen diesen Prozess verzögern. Sie befürchten eine Zusammenarbeit republikanischer Bewaffneter mit der offiziellen Polizei.
Sinn Féin könnte den Trubel um Robinson dazu nutzen, eine Neuwahl zu erzwingen. Die sorgfältig ausbalancierte Machtverteilung zwischen Unionisten und Republikanern steht dann auf dem Spiel. Und damit der ganze Friedensprozess in Nordirland. Es steht zu bezweifeln, dass diese Entwicklung der an Depression erkrankten Mrs. Robinson helfen wird.