Britische Hauptstadt Von Links- bis Kreisverkehr – mit diesen Tipps kommen Sie mit dem Fahrrad gut durch London

Bitte links halten: Der Radweg C3 an der Themse in Westminster, im Hintergrund der Big Ben
Bitte links halten: Der Radweg C3 an der Themse in Westminster, im Hintergrund der Big Ben
© Dagmar Seeland
London ist neuerdings angenehm und sicher mit dem Fahrrad erkundbar – in Teilen zumindest. Was Sie beim Radeln durch die Stadt beachten sollten.

Die gute Nachricht zuerst: Mit der Einführung der ersten Umweltzone vor fünf Jahren und der neuen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h in vielen Innenstadtbereichen ist in London nicht nur die Luft viel besser geworden. Drei Londoner Bürgermeister – Ken Livingstone, Sadiq Khan und sogar Boris Johnson in seiner liberalen Inkarnation – haben in den letzten zwei Jahrzehnten viel dafür getan, dass Radfahren in der Stadt kein Überlebenstraining mehr ist. Dennoch sollten Touristen ein paar wichtige Ratschläge beachten, bevor sie sich in London auf das eigene oder ein Leihrad schwingen. 

Linksverkehr

"Look right" – "Nach rechts schauen!" steht immer dort in großen weißen Buchstaben auf den Fußwegen, wo besonders viele Touristen unterwegs sind. Die kleine Erinnerung für Besucher, dass hier der Verkehr aus der anderen Richtung kommt, ist für Radfahrer noch wichtiger als für Fußgänger. Wer sich zuerst in einem sicheren Umfeld an den Linksverkehr gewöhnen will, kann das in den großen Parks der Stadt tun. Besonders empfehlen sich dafür der Hyde Park im Zentrum, der Battersea Park auf der Südseite der Themse, im Südwesten der Richmond Park und im Nordosten der Olympia-Park im Lea Valley. Achtung: Nicht in jedem Stadtpark sind Radfahrer erlaubt – die Zulassung liegt im Ermessen der Stadtbezirksverwaltungen.

"Look right" – "Sehen Sie nach rechts" – steht auf der Fahrbahn vor dem Eurostar-Bahnhof St. Pancras zur Erinnerung an den Linksverkehr, der in England gilt
"Look right" – "Sehen Sie nach rechts" – steht auf der Fahrbahn vor dem Eurostar-Bahnhof St. Pancras zur Erinnerung an den Linksverkehr, der in England gilt
© Dagmar Seeland

Schlaglöcher

Dreizehn Jahre Sparpolitik und sechs Jahre Brexit haben ihre Spuren hinterlassen, auch auf dem Asphalt. Die neueren Fahrradrouten sind generell in gutem Zustand, die zuerst geschaffenen "Cycle Super Highways" erkennt man an der blauen Farbe – und inzwischen an den Rissen und vereinzelten Schlaglöchern. Hinzu kommt, dass die Briten Form darin haben, ihre Straßen regelmäßig und scheinbar planlos von Stadtwerken und Versorgungsbetrieben aufreißen zu lassen. Es ist durchaus möglich, dass auf die Gaswerke drei Wochen später ein Internetanbieter folgt und dieselbe gerade notdürftig geflickte Straße erneut aufgräbt, um Glasfaserkabel zu verlegen. So entstehen die Flickenteppiche, die man vor allem in Nebenstraßen oft vorfindet. Die Mahnung "eyes on the road" – "Die Augen auf die Straße richten" – ist also auch im Hinblick auf den Straßenzustand sinnvoll. 

Verkehrskreisel

Der Brite fährt gern und viel im Kreis. Verkehrskreisel gibt es in allen Größen und Komplexitäten, den verrücktesten von allen, den "Magic Roundabout", hat die Stadt Swindon in der Grafschaft Wiltshire. Der dortige Kreisverkehr mit sechs Mini-Kreisverkehren ist eine Sehenswürdigkeit.

Die Verkehrskreisel reduzieren nachweislich schwere Unfälle, doch sie sind nicht immer leicht zu navigieren. Zum Glück haben viele große Verkehrskreisel in London inzwischen separate Fahrradwege, manche sogar eigene Ampelschaltungen. Wo das nicht der Fall ist, gelten auch für Radfahrer folgende Regeln: Von rechts kommende Fahrzeuge haben immer Vorfahrt. Behandeln Sie vom Kreisel abzweigende Straßen wie das Zifferblatt einer analogen Uhr; liegt Ihre Abfahrt vor "zwölf Uhr", dann fahren Sie in der linken Spur, liegt sie nach zwölf, gilt die mittlere oder bei dreispurigen Verkehrskreiseln die rechte Spur. Das Überholen im Kreisverkehr ist nach britischem Recht verboten, was aber nicht heißt, dass sich jeder an diese Verkehrsregel hält. Der ständige Blick über die Schulter beim Manövrieren des Kreisels empfiehlt sich also. Wem das alles zuviel ist, darf sich als Radfahrer an die Außenspur halten, aber besonders dann sind eindeutige Handsignale wichtig, damit andere Verkehrsteilnehmer wissen, wo Sie den Kreisel verlassen. 

Ein Rat: Meiden Sie den Kreisverkehr bei Hyde Park Corner, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist. Ein ganz besonderer Platz in der Verkehrssünder-Hölle gebührt jenem Planer (und es war mit Sicherheit ein Mann), der diese sechsspurige Todesspirale entworfen hat.

Folgen Sie den "Cycle Routes"

Weiße Buchstabenkombinationen wie "C14" oder Q25" auf dem Asphalt sind kein geheimer Code, sondern signalisieren, dass man auf einem der "Cycleways" des offiziellen Londoner Fahrradweg-Netzes radelt. Früher wurde zwischen "Cycle Superhighways" und "Quietways" unterschieden, den "Schnellstraßen" und den stillen Wegen durch ruhige Wohnviertel. Seit ein paar Jahren bemüht sich Londons zentrale Transportbehörde, die Routen zu einem sicheren, einheitlich gekennzeichneten Netzwerk zu vereinen. Eine interaktive Karte aller Routen finden Sie hier auf der Webseite von Transport for London. Manche, vor allem der Radweg C3 entlang der Themse, sind streckenweise komplett vom übrigen Verkehr getrennt und verfügen vereinzelt sogar über eigene Ampelschaltungen und Mini-Kreuzungen für Radfahrer. Tipp: Der C3 ist gut befahren, vor allem im Bankenviertel. Das Tempo ist sportlich, und hier und da kann es schon mal eng werden. Meiden Sie vor allem die Stoßzeiten morgens und zum Feierabend.

Fahrradfreundliche Stadtbezirke

Nicht überall in London mag man Fahrradfahrer. Davon zeugt so mancher schöner Radweg, der sich plötzlich im dicksten Verkehr in Luft auflöst, weil man eine unsichtbare Stadtgrenze überquert hat. Der Ausbau des Fahrradnetzes ist ein ständiges Tauziehen zwischen Bürgermeister Sadiq Khans zentraler Transportbehörde und den Stadträten. Mit wenigen Ausnahmen gilt: Labour-regierte Stadtbezirke sind fahrradfreundlicher – Paradebeispiele sind Walthamstow, Camden und Enfield. Die Tory-regierten "königlichen" Stadtteile Westminster und Kensington & Chelsea im Zentrum und Westen der Stadt hingegen sind sich zu fein für Zweiräder und fügen sich nur widerwillig den Anordnungen des Bürgermeisters. Ähnlich gebiert sich die Stadtverwaltung von Hammersmith & Fulham. Sie ging sogar so weit, die seit Jahren wegen Baufälligkeit für den motorisierten Verkehr gesperrte Hammersmith-Brücke auch für Fahrräder geschlossen zu halten.

Kleine Benimmkunde

Die Briten sind bekanntlich ein höfliches Volk – das Theater um den Brexit war ein Ausrutscher. Guter Ton herrscht auch auf Straßen und Radwegen, vor allem dort, wo sie mit Fußgängern geteilt werden. 

Martin Nelson, Opernsänger und Londoner Fahrrad-Pionier (er entwarf 1977 die erste Fahrradroute im Stadtzentrum) empfiehlt "große Gesten" im Straßenverkehr. "Übertreiben Sie ruhig ein wenig, wenn Sie signalisieren, dass Sie rechts abbiegen wollen, das macht Sie für Autofahrer sichtbarer." An Zebrastreifen wartenden Passanten etwa gibt er noch während der Anfahrt mit einer schwungvollen halben Verbeugung den Vorrang. "Höflichkeit verbessert unseren Ruf als Radfahrer." Auf mit Fußgängern geteilten Wegen sollten Radler ein zivilisiertes Tempo halten und absteigen, wenn es eng wird, "und zwar nicht erst dann, wenn Sie schon neben den Leuten radeln." Auch exzessives Klingeln komme bei Engländern nicht gut an. "Einmal reicht." 

"Radeln Sie rücksichtsvoll - hier haben Fußgänger Priorität" steht auf dem Themsepfad, den sich in Hammersmith Fußgänger und Radfahrer teilen
"Radeln Sie rücksichtsvoll - hier haben Fußgänger Priorität" steht auf dem Themsepfad, den sich in Hammersmith Fußgänger und Radfahrer teilen

Allgemeine Tipps: Fahrradhelm und Fahrradverleih

Das Tragen von Fahrradhelmen ist zu empfehlen, allerdings keine Pflicht. Gleiches gilt bei schlechtem Wetter und nachts für reflektierende Kleidung. Wenn Sie Reisen in die Londoner Peripherie planen, können Sie Ihr Fahrrad kostenlos in Vorortzügen mitnehmen – und übrigens auch in den U-Bahnen dort, wo sie an der Oberfläche fahren. Nicht erlaubt sind Fahrräder in Zügen während des Berufsverkehrs, also morgens zwischen sieben und zehn Uhr und abends zwischen 16 und 19 Uhr. Die neue Elizabeth Line ist die einzige U-Bahn-Linie, die Fahrräder auf der ganzen Strecke erlaubt, und auch der reguläre Bootsdienst "Thames Clipper" transportiert Fahrräder ohne Aufpreis. Allerdings gelten hier ebenfalls die bereits genannten Ausnahmezeiten.

Adressen:

Santander Cycle Hire, der offizielle Fahrradverleih der Stadt London, hat 800 Fahrradstationen in der gesamten Innenstadt und inzwischen auch ein paar E-Bikes. Die App zeigt alle Stationen im Überblick, und welche wieviele Fahrräder oder freie Stellplätze hat.

Lime funktioniert wie in Deutschland über die App. 

Human Forest ist ein verantwortungsvoller Londoner E-Bike-Verleih. "Wildes Parken" kostet. Dafür bekommt Fahrrad-Minuten geschenkt, wer an einer der Stationen parkt. Laden Sie die App herunter.

Die Bootsfähre Thames Clipper operiert zwischen Barking Riverside Pier im Osten und Putney Pier im Westen und transportiert Fahrräder kostenlos. Bis 14 Räder pro Boot.

Schöne Fahrradrouten, die stark befahrene Straßen weitgehend vermeiden, finden Sie hier: 

Fahrradläden und -werkstätten finden Sie hier

stern-Korrespondentin Dagmar Seeland testet verschiedene Fahrradwege in London. Lesen Sie hier über Ihre Tour durch Klein-Holland in England.