"Ich will Bush", sagt Mohammed spontan. Der 40 Jahre alte Elektroingenieur wohnt im vornehmen Bagdader Bezirk Mansour, wo auch viele ausländische Botschaften Quartier bezogen haben. "Der bekannte Schlechte ist besser als der unbekannte Gute", begründet der Iraker seine Meinung. Bei Bush wisse man wenigstens, woran man sei. Doch Mohammeds Haltung ist eine Ausnahme auf Bagdads Straßen, zwei Tage vor der Präsidentschaftswahl in den USA. Während kaum ein anderes Thema den US-Wahlkampf so beherrscht hat wie der Irak, stehen die meisten Iraker - auch nach Ansicht irakischer Medien - der Frage nach dem nächsten Chef im Weißen Haus eher gleichgültig gegenüber.
"Keiner der Kandidaten wird etwas ändern"
"Wer die Wahl am Dienstag gewinnt, ist doch eine rein inneramerikanische Entscheidung", findet Radwan, ein Taxifahrer. Mit seinen 45 Jahren habe er schon einige Präsidenten in Washington erlebt. Geändert habe sich für die Menschen im Irak dadurch nichts. Auch nicht für die in der restlichen arabischen Welt. Tarek, ein ehemaliger Staatsangestellter, denkt auch so. "Für die außenpolitische Linie sind die Wahlen kein großes Ereignis", glaubt der 55-Jährige. "Keiner der beiden Kandidaten wird daran etwas ändern." Im Sammeltaxi ans andere Tigrisufer geraten die Fahrgäste in Diskutierlaune. "Es sind doch nicht die Politiker, die in den USA die Politik bestimmen", ereifert sich Said, ein 40 Jahre alter Lehrer. "Es ist das Big Business, das dort bestimmt."
Für Abdelkadir sind die US-Wahlen nichts als ein Spiel, um der Welt zu zeigen, "wie demokratisch die in Amerika sind". Der 25-Jährige hat kurz vor dem Sturz Saddam Husseins sein Sportstudium an der Bagdader Universität beendet und verdient sich seinen Lebensunterhalt jetzt mit dem Verkauf von Zigaretten. "Die Illusion wird genährt, dass die Menschen tatsächlich frei wählen können", sagt er skeptisch.
Kein Platz für Illusionen
Asma hat die Fernsehduelle zwischen Bush und Kerry verfolgt und wundert sich, warum die beiden Kontrahenten sich beschimpfen und nur Negatives übereinander sagen. Doch die Kritik drehe sich einzig um das amerikanische Volk, hat die 24-Jährige beobachtet. Was den anderen Schlimmes zugefügt wurde, bleibe unerwähnt, wirft die junge Frau in die Debatte ein. "Es geht uns doch nichts an, was in den USA passiert", sagt Ashraf, ein 17-jähriger Student. Er erwartet jedenfalls keinerlei Veränderungen durch die US-Wahl. "Sollte ein amerikanischer Präsident tatsächlich einmal etwas für uns ändern, dann wäre unser Interesse an den Wahlen größer."
Bis sich etwas ändert, wird die Realität im Irak vorerst weiter von Angst und Anschlägen bestimmt sein. Die eskalierende Gewalt im Irak hat weiteren elf Menschen das Leben gekostet. Der Vizegouverneur von Bagdad, Hatem Kamel Abdel Fattah al-Bajati, wurde auf dem Weg zur Arbeit von Unbekannten erschossen. Vier seiner Leibwächter wurden verletzt, wie aus dem irakischen Innenministerium verlautete. Der irakische Rundfunk hatte zuvor berichtet, die Leibwächter seien ums Leben gekommen. Der Anschlag ereignete sich im Stadtteil Al-Dora im Süden von Bagdad.
Zahlreiche Tote bei Kämpfen im Irak
In den Aufständischen-Hochburgen Ramadi und Falludscha starben nach Angaben von Ärzten bei Gefechten und US-Luftangriffen sechs Menschen, darunter ein Kameramann der Nachrichtenagentur Reuters.
Viele Bewohner von Falludscha hätten aus Angst vor einem US-Großangriff auf die Stadt inzwischen ihre Häuser verlassen, hieß es. Bei britischen Luftangriffen auf die Städte Latifija und Haswa im Südirak kamen vier Iraker ums Leben, wie die irakische Nationalgarde meldete.
Weitere 17 Menschen waren laut des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira unter Berufung auf das US-Militär bei einem Raketenangriff auf ein Hotel in Tikrit getötet worden.