Am Donnerstag war ich mit meiner Freundin Megha im Kino, um Bollywoods schönen neuen Schmachtfetzen "Jodhaa Akbar" zu sehen. Ein hübscher Softie-Film, fanden wir, der aber hier in Indien für Randale und Skandale sorgt und aus Angst vor Aufruhr sogar in seiner Drehheimat Rajasthan verboten ist. Natürlich kein Problem in Mumbai, wir leben im 18-Millionen-Melting Pot, da gibt man sich ziemlich kosmospolitisch. "Megha, warum regen sich die Leute im Norden denn so auf?" frage ich zu Beginn, " sollte es da etwa so heiße Kuss-Szenen geben oder ein zu tiefes Dekolletée?" "Huh, sei still, da kommt nämlich mein Held Hrithik Roshan alias Mogulherrscher Akbar hoch zu Ross", kichert die 20-jährige Megha neben mir und beginnt, die Titelmelodie mitzusummen, "nein, da gibt es nichts Unsittliches, nur ein kleines historisches Missverständnis. Erklär ich dir nachher."
Alles wie vor 450 Jahren
Um es vorweg zu nehmen, dieser Film hat alles, was es an kostbaren Bollywood-Ingredenzien zu einem oskarverdächtigen Historiendrama braucht: die märchenhafte Schlösser-, Burgen- und Haremsszenerie des Wüstenstaates Rajasthan, heiße Schwerterduelle zwischen ihm und ihr und coole Stunts mit einem Kampf-Elefanten, dessen Wohlwollen sich Filmstar Hrithik Roshan vorher mit ein paar tausend Bananen erkauft hatte. Und echte, staubige Schlachtenszenen ohne Computeranimation. Dafür gleich mit hunderten von Elefanten und tausenden von Komparsen, bunte Turbanträger und rot verschleierte Frauen, die heute noch genau so auf den Märkten Jaipurs und Pushkars sitzen wie zu Zeiten des Mogulkaisers Akbar vor 450 Jahren.
Miss World an der Seite Obamas
Für das sinnenfrohe Spektakel nahm Regisseur Ashutosh Gowarikar auch noch die zwei schönsten Gesichter Bollywoods: Hrithik Roshan als junger feuriger und dabei auch noch politisch und religiös korrekter Muslim-Herrscher Akbar, sozusagen der Obama von damals. Und Aishwarya Raj, die frühere Miss World, als überirdisch schöne Hindu-Prinzessin Jodhaa, die aussieht wie auf einer persischen Miniatur (leider spielt sie auch ähnlich steif) Im Film ist die edle Rajput-Braut Jodhaa jedoch eine Rebellin, die sich gegen die interreligiöse Ehe aus Staatsräson wehrt und sich dem Mogulherrscher im Hochzeitsbett verweigert. Wow! Er solle nicht fremde Reiche sondern gefälligst ihr Herz erobern und auch als frommer Muslim ihre Hindu-Religion anerkennen, verlangt sie vom Potentaten. Wie heißt es so schön: hinter jedem großen Mann steht immer eine starke Frau.
Auf 3 Stunden 20 Minuten Überlänge bangten wir Zuschauer- auf mäßig bequemen Kinositzen, ich wäre liebend gerne auf die weichen Haremskissen im Film gesunken, ob der Widerspenstigen Zähmung auf indisch auch gelänge. Nach etlichen Intrigen von der bösen Schwiegermutter, von fehlgesteuerten Brüdern und ehrgeizigen Finsterlingen fällt der Schleier: es gibt, nach vielen Filmsongs, ein Happy End für das Paar. Aber offenbar nicht für den Boxoffice-Film! Das fulminante Epos, das zur weltbesten Touristenwerbung für Indien hätte werden können, droht im Hindi-Film-Land zu floppen.
Historisches Missverständnis
Warum? "Weil die echte Jodbaa wohl nicht die Frau, sondern die Schwiegertochter Kaiser Akbars gewesen ist," erklärt Megha. Das ist alles? Deshalb flippen die Leute schon aus? Die Rajputen, die kriegerischen Bewohner Rajasthans, waren immer Kühnsten der Kühnen - und gelten heute noch als ehrpusselig. Geschichte wird da sehr persönlich genommen. Eine solche Faktenverdrehung verletze die Gefühle der Menschen, sagte Narendar Singh Rajawat, ein einflussreicher Lokalpolitiker und rief, ausgerechnet im pitturesken Drehort Jaipur, zum Sturm gegen die Kinos auf, die es wagten, die falsche Prinzessin Jodhaa Akbar zu zeigen.
Seither tobt die rhetorische Schlacht um Akbars Frau und beschäftigt die Gerichte. "Die Handlung ist doch zu 70 Prozent erfunden," gibt Regisseur Gowarikar gerne zu, "es ist keine Eins-zu-Eins-Abbildung der Geschichte, natürlich sind auch andere Deutungen möglich." Und er hat vornehme Kronzeugen für seine Version: die Maharadscha-Familie von Jaipur, die ihm die märchenhaften Drehs in ihren Palästen überhaupt möglich machte. "Der Film ist so historisch korrekt wie möglich," sagt die Maharani Padmini Devi, "wenn es irgendetwas zu beanstanden gäbe, wären wir doch die Ersten gewesen, die protestiert hätten!" So sah es auch der Oberste Gerichtshof von Madhya Pradesh und hob, zumindest in diesem Bundesstaat, das Filmverbot wieder auf. Aber auf vielen Dörfern tobt der Pöbel weiter.
Harem mit tausenden Frauen
"Liebe zwischen zwei Kulturen, zwischen zwei Religionen wie Hinduismus und Islam ist heute noch ein heißes Thema, auch für uns junge Inder," sagt Megha, "ist doch toll, wie Akbar und Jodhaa das vor 450 Jahren geschafft haben!" Der echte Mogulherrscher Jaluddin Muhammad Akbar (1556 bis 1605), der Indien in seiner 50-jährigen Regentschaft eine Glanzzeit mit großer religiöser Toleranz bescherte, wäre über die love story aus Bollywood wohl eher amused gewesen als die Filmgegner mit ihrem kleinlichen Historienstreit. Jodhaa hin, Jodhaa her, 3 Stunden 20 Filmminuten- soviel Zeit für eine Einzige? Schließlich hatte Großmogul nicht nur die eine, sondern 17! Rajput-Prinzessinnen geheiratet. Aus Staatsräson. Zudem musste er Kriege führen, Hauptstädte gründen, philosophische Kolloquien halten. Und dann wartete da noch sein Harem: mit stolzen 5000 Frauen!