Mit einem eigenen Fernsehsender will das russische Verteidigungsministerium das Publikum wieder auf die gewünschte militärisch-patriotische Linie bringen. Am kommenden Sonntag soll der Militärkanal "Swesda" (Stern) auf Sendung gehen. Russland will unter Präsident Wladimir Putin wieder militärische Großmacht sein, dazu passt das sowjetisch angehauchte Fernsehprojekt genauso wie die Rückkehr der Wehrerziehung an den Schulen. Medienfachleute kritisieren, dass der russische Staat, der auf dem Fernsehmarkt ohnehin übermächtig ist, seine Stellung mit "Swesda" noch weiter ausbaut. Doch wenige Tage vor dem Sendstart waren in Moskau weder das genaue Programm noch die Finanzierung bekannt.
Mangelnder Patriotismus junger Männer
Aus Sicht von Verteidigungsminister Sergej Iwanow ist die traditionelle Liebe der Russen zu Heimat und Armee in den letzten Jahren beklagenswert zurückgegangen. Für die Militärs besonders betrüblich ist der mangelnde Patriotismus junger Männer, die sich massenhaft vor dem Wehrdienst drücken. Schon zu Schulzeiten legen sich gesunde Moskauer Jungen für Wochen ins Krankenhaus, um später bei der Musterung eine dicke Krankenakte nachweisen zu können. An dieser Entwicklung sind nach Ansicht der vielen Uniformträger in der russischen Führung auch die allzu liberalen Medien schuld. Das Fernsehen unterhalte mit Sex und Gewalt, westlichen Billigfilmen und schmuddeligen Talkshows. "Diese Verdummung muss aufhören", schimpfte Iwanow im Dezember bei einer Regierungssitzung. "Swesda" soll stattdessen "effektiv informieren und ideologisch Einfluss nehmen".
Anders als das für die Truppe ausgestrahlte Armed Forces Network des amerikanischen Pentagon zielt "Swesda" auf ein breites Publikum und soll ihm Heimatliebe nahe bringen. "Man kann nur verteidigen, was man liebt", sagt Generaldirektor Sergej Sawuschkin. "Bei uns werden keine westlichen Filme laufen, die Russen als Barbaren oder Banditen zeigen. Es wird keine Sendungen geben, die die Geschichte unseres Vaterlandes beschmutzen." Neben Kultur- und Musiksendungen, Spiel- und Zeichentrickfilmen solle rein Militärisches nur ein Zehntel des "Swesda"-Programms ausmachen.
Weil jedoch das Geld für eigene Nachrichtensendungen und Realityshows im Armeemilieu fehlt, muss Sawuschkin viele Konserven senden. Im Archiv des Verteidigungsministeriums lagern stapelweise Konzerte von Militärorchestern und Dokumentarfilme über einzelne Truppen und Waffen. Schier unerschöpflich ist auch der Vorrat an sowjetischen Filmen über Zweiten Weltkrieg, die zum 60. Jahrestag des Sieges im Mai auf allen Kanälen in Russland laufen.
"Geld sinnvoller ausgeben"
Doch das russische Publikum lässt sich nach Einschätzung von Experten nicht mehr leicht ideologisch beeinflussen. "Wenn 'Swesda' zu offensichtlich und direkt Patriotismus predigt, wird kein Mensch diesen Sender einschalten", sagte der altgediente Fernsehjournalist Alexander Ljubimow der Zeitung "Iswestija". Der Vorsitzende der Assoziation russischer Rundfunkgesellschaften, Eduard Sagalajew, schlug den Militärs vor, ihr Geld sinnvoller auszugeben: "Mit den Millionen Dollar für einen patriotischen Fernsehkanal sollte man eher die Armee reformieren, die Brutalität unter den Rekruten bekämpfen oder die Lebensbedingungen der Soldaten und Offiziere verbessern."