Bei der Suche nach dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Radovan Karadzic haben die NATO-Truppen in Bosnien einen weiteren Misserfolg hinnehmen müssen. SFOR-Soldaten stürmten am frühen Donnerstagmorgen ein Haus in Karadzics früherem Wohnort Pale, zwei der Bewohner wurden dabei schwer verletzt. Ein Sprecher der SFOR in Bosnien bestätigte später, dass die Razzia Karadzic galt. Der ehemalige Präsident der bosnischen Serben sei aber nicht gefunden worden. Unter den Verletzten war ein Priester, der sich öffentlich hinter Karadzic gestellt hatte.
Jermijah Starovlah hatte in der vergangenen Woche in einem Zeitungsinterview erklärt, jeder serbische Geistliche sei verpflichtet, Karadzic bei der Flucht vor den SFOR-Truppen zu helfen und ihn vor einer Anklage vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal zu bewahren. Nach der Militäraktion am Donnerstag mussten der orthodoxe Priester und sein Sohn von einem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden. Eine Krankenhaussprecherin erklärte, beide Männer schwebten in Lebensgefahr.
Hunderte Anwohner protestierten
Nach Angaben von SFOR-Sprecher Dave Sullivan wurden die beiden von kleinen Sprengsätzen verletzt, mit denen die Soldaten die Tür zu ihrem Haus aufgebrochen hätten. Es handelte sich um das Refektorium einer orthodoxen Kirche, in dem insgesamt drei Priester mit ihren Familien wohnten.
Einer von Starovlahs Kollegen kritisierte die Militäraktion als "Akt des Vandalismus, wie man ihn sonst nur in amerikanischen Filmen sieht". Im Laufe des Vormittags versammelten sich mehrere hundert Anwohner vor der Kirche, um gegen das Vorgehen der SFOR zu protestieren. Es handelte sich um eine britische Einheit, die von einheimischen Polizisten unterstützt wurde.
Karadzic soll sich vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal verantworten
Karadzic wird vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag beschuldigt, zusammen mit dem früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic für den Bosnienkrieg von 1992 bis 1995 verantwortlich gewesen zu sein. 260.000 Menschen wurden in dem Krieg getötet, 1,8 Millionen weitere verloren ihre Heimat.
Gegen Karadzic und seinen einstigen Militärchef Ratko Mladic wurde 1995 vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag Anklage wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erhoben. Sie sollen unter anderem für das Massaker von Srebrenica verantwortlich sein, bei dem über 7.000 Muslime getötet wurden. Beide sind seit Jahren untergetaucht. Alle Versuche der NATO-geführten Friedenstruppe in Bosnien, Karadzic festzunehmen, scheiterten bislang.