Es scheint, als wäre er noch immer am Leben: Kim Il Sung dominiert auch 16 Jahre nach seinem Tod noch das Straßenbild in Nordkorea. Tag und Nacht grüßt der Gründungsvater des kommunistischen Nordkorea von Plakaten, Standbildern und Leuchtreklamen in Pjöngjang, seine Denkmäler prägen das Gesicht der baufälligen Hauptstadt. Keine Spur dagegen vom wichtigsten Parteikongress seit Jahrzehnten, auf dem am Dienstag der Wechsel an der Spitze des von der Außenwelt abgeschotteten Landes vorbereitet wurde.
"Er ist wie unser Vater", sagt die Führerin in einem Militärmuseum in Pjöngjang, das dem "Großen Sieg" des Nordens im Korea-Krieg gewidmet ist, der zur Teilung der koreanischen Halbinsel führte. "Ich fühle, dass er noch da ist, denn der Große Führer bleibt immer in meinem Herzen." Kim Il Sung starb 1994 im Alter von 82 Jahren. Im offiziellen Sprachgebrauch gilt er weiter als Präsident des kommunistischen Landes, während sein Sohn Kim Jong Il, der amtierende Staatschef, als "Geliebter Führer" tituliert wird. Am Dienstag brachte der 68-Jährige seinen jüngsten Sohn Kim Jong Un als Nachfolger in Stellung, indem er ihn zum General ernannte.
Ausländische Touristen werden in Pjöngjang ununterbrochen begleitet und dürfen sich nicht frei bewegen. Ihre erste Station ist eine turmhohe Statue von Kim Il Sung. Seine rechte Hand ist erhoben, "sie weist den Menschen den Weg", wie eine Führerin erläutert. "Im Gedenken an den Präsidenten Kim Il Sung wollen wir uns verneigen", bittet sie die Besucher vor der Statue dann. Operettenhafte Musik aus dem Lautsprecher preist den "Großen Führer".
Am anderen Ende der Stadt, im Kim-Il-Sung-Mausoleum, ist der Andrang noch größer. Hier erweisen die Nordkoreaner dem verstorbenen Diktator ihre Ehre. Frauen tragen Abendkleider, die Männer schwarze Anzüge oder Mao-Jacken, auch von Touristen wird angemessene Bekleidung erwartet. Alle tragen Nadeln mit dem Kopf des "Ewigen Präsidenten" am Revers. Laufbänder befördern die Besucher in einen Granitkomplex mit hohen Decken, schweren Holztüren und Kronleuchtern, wo Kim Il Sung bis zu seinem Tod gelebt und gearbeitet haben soll.
Während sich die Besucher vor einer weißen Statue verneigen, erklärt ein Kommentar vom Tonband, der verstorbene Führer sei "direkt vom Himmel" zu seinem Volk gekommen. Der einbalsamierte Leichnam im schwarzen Anzug liegt in einem gekühlten Raum hinter Glas auf einem schwarzen Podest, bedeckt mit einer roten Decke. Jeder Besuch im Mausoleum lasse sie Kim Il Sung mehr verehren, sagt eine Touristenführerin, die sich aus Respekt vor dem Leichnam verneigt.
Kim Il Sung, der als Guerillakämpfer gegen die Japaner kämpfte, gründete den Staat 1948 und festigte seine Herrschaft mit der skrupellosen Unterdrückung Andersdenkender. 1950 ließ er seine Armee in Südkorea einmarschieren, was zu einem dreijährigen Krieg und zur Teilung der Halbinsel führte.
Von ihrer Kindheit an werden Nordkoreaner über die Güte, Weisheit und Größe des Staatsgründers und seines Sohnes Kim Jong Il belehrt, dem amtierenden Generalsekretär der kommunistischen Arbeiterpartei. Der 68-Jährige soll vor zwei Jahren einen Schlaganfall erlitten haben und unter Nierenproblemen leiden. Seitdem gibt es Spekulationen, er werde bald seine Nachfolge regeln. Der Parteikongress scheint ein erster Schritt in diese Richtung gewesen zu sein.
Die Nordkoreaner lassen solche Mutmaßungen unbeeindruckt. Medien, Internet und Telefon werden in dem abgeschotteten Staat streng kontrolliert. Der Platz vor der Kongresshalle, in der am Dienstag der historische Parteitag stattfand, war wenige Tage zuvor noch völlig verwaist. Als "dynamisch und fit", beschreibt ein Touristenführer den amtierenden Staatschef, über dessen Gesundheitszustand im Ausland immer wieder spekuliert wird.
Noch weniger als über Kim Jong Il ist im In- und Ausland über dessen jüngsten Sohn, Kim Jong Un, bekannt. Doch an der Universität, so ist in Pjöngjang zu hören, dozieren die Professoren bereits über den "intelligenten Charakter" des wahrscheinlich nächsten Machthabers aus dem Kim-Clan.