Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un ist mit seinem Panzerzug nach Russland gereist, um Präsident Wladimir Putin zu treffen. Diese Reiseform hat Tradition. Schon der Großvater und "ewige Präsident" Kim Il Sung sowie dessen Sohn und Vater des jetzigen Staatschefs Kim Jong Il traten während ihrer Herrschaft lange Auslandsreisen mit einem Zug an. Selbst sein Tod soll Kim Jong Il Ende 2011 im Zug ereilt haben. Dem früheren Machthaber wurde Flugangst nachgesagt.
Kim Jong Un dagegen reiste auch schon mit dem Flugzeug ins Ausland – etwa zu seinem historischen Gipfeltreffen mit dem früheren US-Präsidenten Donald Trump im Juni 2018, als es um das nordkoreanische Atomwaffenprogramm ging. Sein Privatflugzeug "Chammae-1", eine Iljuschin-62 aus sowjetischer Produktion, flog 2018 zwar nach Singapur – Kim war jedoch nicht an Bord. Der nordkoreanische Machthaber nahm lieber eine Maschine der Air China, die als angeblicher Linienflug Richtung Peking startete, nach Informationen des Beobachtungsdienstes Flightradar24 aber mitten auf der Strecke die Flugnummer änderte und gen Süden nach Singapur abbog. Laut "New York Times" hat die Familie Kim kein Vertrauen in die Sicherheit einer Langstreckenreise mit einem der alten Passagierflugzeuge aus der Sowjet-Ära, die in Nordkorea im Einsatz sind.
Zum zweiten, letztlich ergebnislosen Gipfel mit Trump im Februar 2019 in Vietnam fuhr Kim wieder mit dem kugelsicheren Zug – Boden und Wände sollen nach Informationen des südkoreanischen Ministeriums für Wiedervereinigung in Seoul Sprengstoffanschlägen standhalten, die Fenster sind kugelsicher. Wegen der schweren Panzerung erreicht der Zug eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h – obwohl er von zwei Lokomotiven gezogen werden soll. Und so dauert eine 4500 Kilometer lange Reise wie nach Vietnam etwa drei Tage – statt etwa sechs Stunden mit einem Flugzeug. Kim Jong Il nahm noch mehr auf sich: 2001 brauchte er bekanntlich zehn Tage, um nach Moskau zu einem Treffen mit Putin zu gelangen.
Der Panzerzug von Kim Jong Un
Was über den Zug bekannt ist, stammt aus Geheimdienst-Kreisen, von Aussagen Offizieller, die mitreisen konnten, sowie aus seltenen Aufnahmen des nordkoreanischen Staatsfernsehens. Laut "New York Times" gibt es rund 90 Hochsicherheitswaggons, die Kim zur Verfügung stehen. Ein Zug fährt dem Zug mit dem Machthaber voraus, darin Sicherheitsleute, die Bahnhöfe und Gleise überprüfen, um einen Anschlag auf Kim zu verhindern. Hinter dem Zug mit Kim fährt ein dritter mit Leibwächtern und weiterem Personal. Aus der Luft sorgen Helikopter und Flugzeuge für die Sicherheit des nordkoreanischen Machthabers.
Kims große Propaganda-Parade – mit Russland als Ehrengast

Einer der Waggons war auf Aufnahmen aus dem Jahr 2018 mit dick gepolsterten, pinken Ledersofas ausgestattet. Andere Aufnahmen ebenfalls aus dem Jahr zeigen eine Art Konferenzraum mit großem Tisch. Auf älteren Aufnahmen ist Kim Jong Uns Vater in einem Waggon mit Plüschsitzen zu sehen, wie er eine Sitzung in einem Speisewagen leitet und an einem Bankett in einem mit dunklem Holz getäfelten Waggon teilnimmt. In diesen Aufnahmen sitzt der damalige Machthaber an einem mit Essen gefüllten Tisch, während Animateure in Smoking und Abendkleid auftreten. "Es war möglich, jedes Gericht der russischen, chinesischen, koreanischen, japanischen und französischen Küche zu bestellen", schrieb Konstantin Pulikowsky, ein russischer Beamter, der den ehemaligen Staatschef 2011 auf einer Reise durch Russland begleitete, laut "New York Times". Die Vorräte an Bord waren gut gefüllt mit frischem Hummer und Kisten voller Rotwein aus Bordeaux und dem Burgund, wie Pulikowsky berichtete.
Edles Essen und schöne Frauen an Bord
Laut Pulikowsky bevorzugt Kim Jong Un dagegen Schweizer Käse, Cristal Champagner (Flaschenpreis etwa 300 bis 8000 Euro) und Hennessy Cognac. Pulikovsky berichtet auch, dass Kim Jong Il an Bord eine große Auswahl an jungen Frauen zur Verfügung stand, mit denen er sich jederzeit in die Privatgemächer zurückziehen konnte. An dieser Tradition hält der aktuelle Machthaber laut Medien fest.
Doch auch Arbeit muss auf langen Zugreisen erledigt werden: Laut der südkoreanischen Nachrichtenseite "Chosun" wurden Satellitentelefonanschlüsse und Flachbildfernseher installiert, damit der nordkoreanische Führer informiert werden und Befehle erteilen kann. Mit an Bord des Zuges sollen zudem zwei Mercedes-Limousinen sein, mit denen Kim vom Bahnhof zu seinem eigentlichen Ziel gefahren wird.
Trotz seiner Langsamkeit habe der Zug entscheidende Vorteile gegenüber einem Flugzeug, erklärt das Ministerium für Wiedervereinigung: In der Luft seien die Überlebenschancen bei einem Angriff deutlich geringer.
Quellen: "BBC", "New York Times", "n-tv.de", "t-online", DPA, "ITV News" auf Youtube, "Chosun.com", AFP.