Mit der birmanischen Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi ist die wahrscheinlich berühmteste Gefangene der Welt wieder frei. Die zierliche Friedensnobelpreisträgerin, mit ihrem stillen Widerstand ein steter Stachel im Fleisch der Militärjunta, hat trotz aller Oppressionen nicht nachgegeben. Gelassen und mit großer Würde kämpft die 65-Jährige für ihr Anliegen: die Demokratie nach Birma zu bringen.
Die letzten Jahre verbrachte Suu Kyi trotz internationaler Rufe nach ihrer Freilassung in völliger Isolation. Ihr Haus an einem See in Rangun wird von Hunderten Polizisten bewacht, die Straße ist für den Verkehr gesperrt, auf dem Wasser kreisen Boote der Sicherheitsleute. Sie hatte kein Telefon, kein Internet, nur ein Radio verband sie mit der Außenwelt. Lebensmittel wurden ihr von der Polizei gebracht, Besuch durfte sie nicht empfangen. Ihre Alltagsroutine beschrieben Eingeweihte so: meditieren, Radionachrichten hören und auf die zensierte Post warten, auch auf Briefe der beiden Söhne, die sie vor einem Jahrzehnt zuletzt gesehen hat. Ihre Unbeugsamkeit führen jene, die ihr nahe stehen, auf ihren tiefen buddhistischen Glauben, ihre rigorose Selbstdisziplin und den prägenden Einfluss ihrer Eltern zurück. Die einzige Schwäche, die sie sich gestattet, ist dunkle Schokolade.
1991 erhielt Suu Kyi für ihren stillen und gewaltlosen Widerstand gegen das Regime den Friedensnobelpreis - in Abwesenheit. "Die Lady", wie sie von ihren Anhängern genannt wird, wurde mit Nelson Mandela, Mahatma Gandhi und Martin Luther King verglichen. Und sie wird weltweit bewundert - das ist ihre Lebensversicherung. "Sie ist nicht nur die Opposition. Sie ist ein Symbol. Und die größte Bedrohung", erklärte der Birma-Experte David Steinberg von der Georgetown Universität in Washington im vergangenen Jahr.
Suu Kyi habe "eine große spirituelle Kraft", sagte Paulo Sérgio Pinheiro, ein ranghoher UN-Beamter, der Suu Kyi zwischen 2000 und 2003 drei Mal besuchen durfte. Die 65-Jährige gebe sich völlig dem Einsatz für Menschenrechte und Demokratie hin und mache sich keine Sorgen um sich selbst.
"Ihre außerordentliche seelische Stärke mag Teil ihres Charakters sein, doch fraglos wurde ihr Leben durch ihre Eltern geprägt", erklärt der Autor Justin Wintle, der eine Biografie über sie geschrieben hat.
Obwohl Suu Kyi die Tochter eines Helden des birmanischen Unabhängigkeitskampfes ist, General Aung San, wurde sie fast zufällig in die Politik verwickelt. Zum Studium ging sie 1960 zuerst nach Neu-Delhi, dann nach Oxford. Zeitweise arbeitete sie für die Vereinten Nationen in New York, bevor sie 1972 ihren britischen Mann heiratete, den Tibetologen Michael Aris. Sie bekam zwei Kinder, ging nach Japan, folgte ihrem Mann nach Bhutan und begann, Bücher über Birma zu schreiben.
1988 flog sie zurück in ihre Heimatstadt Rangun, um ihre todkranke Mutter zu pflegen. Doch das Land war in Aufruhr: Studenten protestierten gegen die Junta. "Als Tochter meines Vaters" habe sie demgegenüber nicht gleichgültig bleiben können, erklärte Suu Kyi kurz nach ihrer Rückkehr vor einer halben Million jubelnder Menschen. Damit wurde sie die Führungsfigur und Ikone der Demokratiebewegung.
Die Antwort der Generäle war grausam: Unzählige wurden verhaftet, mindestens 3.000 Dissidenten getötet und Suu Kyi festgenommen. 1990 gewann ihre Partei, die Nationale Liga für Demokratie (NLD), haushoch die Parlamentswahl - obwohl Suu Kyi nicht kandidieren durfte. Das Militär weigerte sich jedoch, die Wahl anzuerkennen.
Seitdem verbrachte Suu Kyi ihre Tage fast ununterbrochen unter Hausarrest. Als ihr Mann 1999 in Großbritannien im Sterben lag, besuchte sie ihn nicht mehr. Sie hatte Angst, die Generäle würden sie nicht wieder in ihre Heimat einreisen lassen. Ihre Söhne Alexander und Kim, beide in den 30-ern, hat sie 2000 zuletzt gesehen, im Jahr nach dem Krebstod ihres Ehemannes. Den Söhnen wurde die Staatsbürgerschaft Birmas entzogen und die Einreise verboten.