Pakistan Der Putschgeneral im Demokratiepelz

Mit der Vereidigung Pervez Musharrafs als Präsident endet in Pakistan die langjährige Herrschaft des Militärs. Das alte und neue Staatsoberhaupt verspricht nun die Rückkehr der Demokratie, könnte aber mit etwas Pech selbst Opfer seiner alten Kameraden werden.

Pervez Musharraf hat sein Ziel erreicht, und er hat dafür brachiale Mittel eingesetzt. Jetzt wurde der Ex-Armeechef für weitere fünf Jahre als Präsident der Atommacht Pakistan vereidigt. Die Zeremonie in Islamabad besiegelte nicht nur formell das Ende der achtjährigen Militärherrschaft, sondern auch zumindest vorerst den Machterhalt des unbeliebten Präsidenten. "Nicht bei einer einzige Gelegenheit bin ich vom Pfad abgewichen, den wir für diesen demokratischen Übergang gehen müssen", sagte Musharraf. Doch der Weg, den der einstige Putschgeneral einschlug, um im Amt zu bleiben, kann kaum als demokratisch gelten.

Ausnahmezustand seit dem 3. November

Als das Verfassungsgericht Klagen gegen seine Wiederwahl Chancen einzuräumen schien, verhängte Musharraf am 3. November den Ausnahmezustand. Nur Stunden später ersetzte er seine Kritiker am Obersten Gerichtshof durch Richter, die ihm gewogen sind. Sie entschieden, dass Musharrafs Wahl durch das Parlament in Islamabad und die Provinzparlamente im Oktober rechtens war, obwohl er als Armeechef nach Ansicht seiner Gegner nicht hätte kandidieren dürfen. Fast einstimmige Zustimmung bei der Wahl war Musharraf vor allem wegen des Boykotts der Opposition sicher. Dass er nun der ganzen Nation für das entgegengebrachte Vertrauen dankte, mag für die zunehmende Zahl seiner Kritiker wie Hohn geklungen haben.

Vor seiner Vereidigung allerdings musste der Präsident unter dem Druck des Auslands und der Opposition Zugeständnisse machen. Das schmerzlichste Opfer für ihn war der Rücktritt vom Amt des Armeechefs. An einer Stelle in seiner emotionalen Abschiedsrede, in der er von der Armee als seiner Leidenschaft und Liebe sprach, schien es, als würde der General sich eine Träne aus dem Auge wischen. Mit seinem Rücktritt beschwichtigte Musharraf allen voran seinen wichtigsten Verbündeten Washington. Auch Parlamentswahlen am 8. Januar sicherte der Präsident bei seiner Vereidigung erneut fest zu.

Beobachter erwarteten zudem, dass Musharraf bald einer weiteren Kernforderung des Westens und der Opposition nachkommt und den Ausnahmezustand aufhebt. Dem Präsidenten liegt viel daran, die Wahlen in weniger als sechs Wochen frei erscheinen zu lassen. Nach der internationalen Kritik an seinem Vorgehen will er sich wieder als wahrer Demokrat profilieren. Ein fairer Wahlkampf ist im Ausnahmezustand, der Grundrechte wie die Versammlungs- und die Pressefreiheit einschränkt, allerdings unmöglich. Ein Motiv, den Ausnahmezustand aufrecht zu erhalten, dürfte Musharraf nach seinem Amtsantritt aber ohnehin kaum noch haben.

Die "zweite Haut" abgelegt

Zwar hat Musharraf durch das Ablegen der Uniform, die er seine "zweite Haut" nannte, seine wichtigste Machtbasis verloren. Doch solange die Opposition entlang der Parteigrenzen gespalten bleibt, wird sie ihm kaum ernsthaft gefährlich werden können. Und Musharraf hat für die Zeit ohne Uniform und Ausnahmezustand vorgesorgt.

Durch das Einsetzen ihm ergebener Richter im Verfassungsgericht hat er die Justiz weitgehend unter seine Kontrolle gebracht. Mit General Ashfaq Parvez Kayani hat er einen Vertrauten als seinen Nachfolger an der Spitze der mächtigen Armee platziert. Trotzdem ist nicht gewiss, ob der Präsident seine fünfjährige Amtszeit durchsteht. Sollte sich die Lage im Land nicht stabilisieren, schließen Experten nicht aus, dass General Kayani das Heft in die Hand nimmt - wie einst Musharraf, als dieser sich 1999 unblutig an die Macht putschte.

Wird Musharraf zur Bürde?

"Sollten die andauernden Protestdemonstrationen zu einer Massenbewegung gegen Musharraf werden, gibt es die Möglichkeit, dass Kayani interveniert", sagt der Politikwissenschaftler Hassan Askari. Der Sicherheitsexperte Sajjan Gohel von der Asien-Pazifik-Stiftung in London meint, sollte die Armee zur Überzeugung gelangen, Musharraf werde zur Bürde, "wird Kayani definitiv handeln". Musharraf sprach Kayani zwar sein "volles Vertrauen" aus, doch Loyalitäten in Pakistan sind oft nicht beständig. Ein Sprichwort in der Landessprache Urdu besagt: "Der Mensch, dem Du am meisten vertraust, ist auch der, der Dich am wahrscheinlichsten betrügen wird."

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Can Merey/DPA