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Pakistans neuer Präsident Gekommen, um zu bleiben

Asif Ali Zardari wird neuer Präsident Pakistans. Der Witwer der ermordeten früheren Regierungschefin Benazir Bhutto hat damit ein Ziel erreicht, auf das er seit dem Tod seiner Frau hingearbeitet hat. Doch Zardari ist umstritten: Er soll schon vor seinem Amtsantritt seine Nachfolge geregelt haben.
Von Hauke Friederichs

Der amtierende Vorsitzende der regierenden Pakistanischen Volkspartei (PPP), Asif Ali Zardari, wird neuer Präsident Pakistans. Nach einer ersten Auszählung stimmte sowohl in Unterhaus und Senat als auch in drei von vier Provinzparlamenten eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten für den 52-jährigen Witwer der ermordeten früheren Regierungschefin Benazir Bhutto. Nach Bestätigung des Ergebnisses durch die staatliche Wahlkommission soll Zardari in den kommenden Tagen als Nachfolge des vor knapp drei Wochen zurückgetretenen Präsidenten Pervez Musharraf werden.

Um den Staatschef zu stürzen, griffen die Revolutionäre zu den Waffen der Bürokratie. Mit einem Amtsenthebungsverfahren wollten sie Anfang August den pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf vom Thron stoßen. Eine Aktion, die vor wenigen Monaten noch undenkbar schien. Denn Musharraf war bis Ende 2007 gleichzeitig Staatsoberhaupt und Chef der mächtigen pakistanischen Armee.

1999 hatte sich der damalige Generalstabschef Musharraf an die Macht geputscht. An ihr klammerte er sich bis zum 18. August fest. Doch zuletzt ging sein Einfluss immer mehr zurück. Im vergangenen Jahr zwangen die Parteien ihn, die Uniform auszuziehen und den Oberbefehl über die Streitkräfte abzugeben. Und dann, im August, kurz vor seinem 65. Geburtstag, schickten ihm Asif Ali Zardari und Nawaz Sharif, die beiden Führer der größten Parteien, eine Anklageschrift.

Amtssitz nicht kampflos räumen

Musharraf reagierte zunächst wie alle Militärmachthaber: er drohte, seinen Amtssitz nicht kampflos zu räumen. Doch als seine Gegner sich nicht einschüchtern ließen und ihn zur Vertrauensfrage ins Parlament zitieren wollten, da gab er überraschend auf. Pervez Musharraf erklärte seinen Rücktritt. Am 6. September gibt es Neuwahlen. Ein revolutionärer Schritt hin zur echten Demokratie.

Pakistans größte Probleme

Nachbarn:
Das Verhältnis zu Indien und Afghanistan ist belastet. Beide Nachbarstaaten warfen Pakistan in den vergangenen Wochen mehrfach vor, den Terrorismus in ihren Ländern zu unterstützen. Dem Friedensprozess zwischen Indien und Pakistan droht der Stillstand.

Kaschmir:


Indien und Pakistan streiten seit Jahrzehnten um das ehemalige Fürstentum Jammu und Kaschmir. Nach mehreren Kriegen ist die Region geteilt. Da in Indien mehrheitlich Muslime leben, erhebt das islamische Pakistan Anspruch auf die indische Provinz. Die Kaschmirfrage belastet die Beziehung zwischen beiden Staaten. Indien wirft Pakistan vor, Terroristen in Kaschmir zu unterstützen.

Mächtige Generäle:


Pakistans Streitkräfte besitzen einen riesigen Einfluss im Land. Die Generäle haben im Hintergrund das Sagen. Nicht nur politisch bestimmt die Armeeführung mit. Die Streitkräfte besitzen auch zahlreiche Wirtschaftsunternehmen. Von den rund 60 Jahren, die der Staat Pakistan besteht, wurde das Land 37 Jahre von Militärs regiert.

Geheimdienst:


Teile des pakistanischen Geheimdienstes ISI unterhalten weiterhin enge Beziehungen zu den Taliban, welche die pakistanischen Agenten 2001 an die Macht in Afghanistan brachten. Der ISI führt ein Eigenleben und scheint kaum unter der Kontrolle der Regierung zu stehen.

Atomwaffen:


Pakistan gehört zu den Atomwaffen-Staaten. Die USA haben angekündigt, dass sie die Nuklearwaffen nicht in falsche Hände gelangen lassen wollen. Sollte das asiatische Land weiter in die Instabilität abgleiten, könnten die Amerikaner eingreifen.

Flüchtlinge:


Vor den Kämpfen zwischen Regierung und Islamisten sind zehntausende Menschen geflohen. Sie leben meist ebenso in Notunterkünften wie die Paschtunen, die vor der Gewalt in Afghanistan nach Pakistan geflohen sind.

Musharraf hinterlässt ein schwieriges Erbe. Ihm war es nicht gelungen, das Gewaltmonopol des Staates in allen Landesteilen herzustellen. Vor allem in den Stammesgebieten entscheiden lokale Machthaber über Recht und Gesetz. So wurden fünf Frauen vor einem Monat in der Provinz Belutschistan lebendig begraben, weil sie keine arrangierten Ehen eingehen wollten. Westliche Sicherheitsexperten bezeichnen Pakistan seit Jahren als "failed state" - als zerfallenden Staat.

Taliban, Terroristen und Separatisten

Der neue Präsident muss sich mit den Taliban im Grenzgebiet zu Afghanistan, mit sunnitischen und schiitischen Terroristen, einer übermächtigen Armee und Separationsbestrebungen in den Provinzen auseinandersetzen. Anfang September verübten Terroristen einen Anschlag auf den Premierminister, auf Musharraf wurden drei Attentate verübt. Der Präsident in Pakistan hat einen der gefährlichsten Berufe der Welt.

Seit Monaten herrscht im Nordwesten des Landes Krieg. Pakistanische Soldaten kämpfen gegen islamische Milizen, auf Bombardements der Luftwaffe folgten Terroranschläge gegen Armeekonvois und eine Waffenfabrik. Rund die Hälfte der Stammesregionen an der Grenze zu Afghanistan sollen Islamisten bereits kontrollieren, schreiben pakistanische Zeitungen. Die Extremisten haben rund 180 Mädchenschulen niedergebrannt, Anschläge auf Polizisten verübt und Politiker und Stammesführer ermordet. Die Regierungstruppen und mit ihnen verbündete Stämme haben zwar militärische Erfolge gegen die Islamisten erzielt, aber beruhigt hat sich die Lage nicht.

Parteien versprechen Besserungen

Nach den Wahlen soll alles besser werden, versprechen die Parteien. Dass den Worten Taten folgen werden, bezweifeln viele Pakistani. Sicher scheint, dass der Bhutto-Clan zurück an die Macht kehren wird und mit ihm die Pakistanische Volkspartei (PPP). Asif Ali Zardari, Witwer der Ende 2007 ermordeten Benazir Bhutto, hat dabei vom Status seiner Frau als Märtyrerin profitiert.

Zardari kommt wie die Bhutto-Familie aus der Region Sindh. Dort gehören dem Großgrundbesitzer riesige Ländereien. Seiner politischen Karriere konnten auch Korruptionsvorwürfe nicht schaden: In Pakistan wurde er während der Regierung seiner Frau von 1988 bis 1990 als "Mr. Ten Percent" bezeichnet, weil er angeblich für jeden vergebenen Regierungsauftrag zehn Prozent Provision einforderte. Dass alles scheint vergessen - der toten Frau sei Dank.

Eine Rückkehr als Triumphzug

Ihre Rückkehr nach Pakistan im Oktober 2007 veränderte das Land. Sie galt als Hoffnungsträgerin, stand für die Rückkehr zur Demokratie - und das, obwohl sie zehn Jahre zuvor wegen Korruption aus dem Amt als Ministerpräsidentin gejagt worden war. Die Tochter des vom Militär abgesetzten und gehängten Premierministers Sulfikar Ali Bhutto hatte nach der Hinrichtung des Vaters 1979 lange im Exil gelebt. Ihre Rückkehr inszenierte die PPP als Triumphzug. "Eine Million Verehrer erwarten mich", sagte Benazir Bhutto kurz vor der Landung in Pakistan. Doch Attentäter mit Bomben und Schnellfeuergewehren töteten Benazir Bhutto nur wenige Wochen nach ihrer Rückkehr.

Nach dem Anschlag kam es zu Unruhen, Demonstranten stürmten die Börse in Karatchi und zündeten Polizeistationen an. Gerüchte machten die Runde, dass der pakistanische Geheimdienst ISI an dem Anschlag beteiligt gewesen sei. Dem damaligen Präsidenten Musharraf gelang es nur mit großer Mühe, die Ordnung wiederherzustellen. Er musste seine Macht mit dem Parlament teilen. Zardari nutzte die Schwäche des diktatorischen Regimes. "Demokratie ist unsere beste Rache", sagte er zu den Anhängern seiner Frau.

Koalition mit dem Erzfeind

Seine PPP gewann die Parlamentswahl im Februar mit großer Mehrheit. Zardari ging dann eine Koalition mit Nawaz Sharif ein, dem Parteichef der "Muslimliga" und früheren Erzfeind seiner Frau. Die Muslimliga ist die zweitstärkste Partei im Parlament.

Doch harmonisch wurde es in diesem Zweckbündnis nie. Hauptstreitpunkt war die Wiedereinsetzung von kritischen Richtern, die von Musharraf entlassen worden waren. Die PPP verzögerte dies immer wieder. Sie befürchtet wohl, dass die unbequemen Richter die Korruptionsvorwürfe gegen Zardari erneuern könnten.

Streit über Umgang mit Ex-Machthaber

Und in den vergangenen Tagen stritten Zardari und Sharif auch über die Behandlung des zurückgetretenen Diktators. Die Muslimliga will Musharraf vor Gericht stellen und riskiert damit eine Machtprobe mit dem Militär. Schließlich haben Sharif und Musharraf noch eine Rechnung offen: Der Anführer der Muslimliga war 1999 Ministerpräsident, als die Soldaten putschten und die Macht an sich rissen. Zardari will Musharraf hingegen schonen. Politik-Insider behaupten, er habe dies der US-Regierung versprochen. Washington hatte das Regime Musharraf finanziell unterstützt.

Endgültig zerbrach die Koalition an der Präsidentenfrage. Die PPP, die bereits den Ministerpräsidenten stellt, kann nun mit Zardari zusätzlich den Präsidenten ernennen. Die Muslimliga schlug vergeblich vor, einen gemeinsamen, neutralen Kandidaten ins Rennen zu schicken.

Sharif tritt nicht an

Sharif, gegen den ebenfalls wegen Korruption ermittelt wurde, durfte erst am 23. August wieder nach Pakistan einreisen. Musharraf hatte ihm zuvor die Rückkehr untersagt. Er selber stellt sich nicht zur Präsidentenwahl, seine Partei schickt einen früheren Richter ins Rennen.

Auch bei der Frage, wie weit die umfangreichen Rechte des Präsidenten beschnitten werden sollen, sind die demokratischen Parteien uneins. Musharraf besaß eine undemokratische Machtfülle, er konnte das Parlament auflösen, die Regierung absetzen, Minister ernennen und entlassen und die Armeeführung bestimmen.

Zardari, der nächste Präsident Pakistans, scheint plötzlich die Macht des Staatsoberhaupts nur noch geringfügig einschränken zu wollen. Er plant Gerüchten zu Folge eine spätere Machtübergabe an seinen Sohn Bilawal. In dem 19-jährigen Studenten sehen viele Bhutto-Anhänger die Zukunft Pakistans. Als Sohn einer Märtyrerin und Enkel des hingerichteten Ministerpräsidenten soll er das Land aus dem Dunklen ins Licht führen. Die Dynastie Bhutto wird das Geschehen in Pakistan noch lange mitbestimmen.

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