Paraguay "Habe die Hölle gesehen"

Nach den schweren Gasexplosionen in einem Einkaufszentrum in der Hauptstadt Asunción steht das Land unter Schock. Die Tragödie wirft ein grelles Licht auf die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen in Paraguay.

"Ich habe die Hölle gesehen, ich habe die Hölle gesehen", stammelte immer wieder der Feuerwehrmann Roberto. Die verheerende Brandkatastrophe in einem modernen Einkaufszentrum der Hauptstadt Asunción, die rund 300 Menschenleben forderte, hat ganz Paraguay in Trauer und Verzweiflung, aber auch in tiefe Wut gestürzt. Die Mutmaßung, der Besitzer des Einkaufszentrums habe bei Brandausbruch alle Ein- und Ausgänge schließen lassen und die mit flanierenden Familien vollbesetzte Anlage zur "tödlichen Falle" (die Zeitung "La Nación") gemacht, erhitzte am Montag weiter die Gemüter. "Die wurden wie Tiere eingesperrt", riefen Menschen, die sich spontan auf der Straße und vor Journalisten und Kameras versammelten.

"Wir alle trauern"

Tief betroffen sind nicht nur die Beteiligten, die Verletzten, die Angehörigen von Toten, Augenzeugen der Tragödie und Mitglieder der Rettungsteams. "Wir alle trauern, das ganze Land ist bestürzt. Wie konnte so etwas passieren", sagte der junge deutschstämmige Paraguayer Cristian Janz, ein Mitarbeiter des Goethe-Instituts in Asunción, der dpa. Dem 60-jährigen Krankenhausleiter Nicanor Gonzalez wurde beim Anblick vieler Opfer schlecht. "Das war schon unheimlich, grausig." Ein ähnlich folgenschweres Unglück hatte Paraguay zuletzt 1927 erlebt, als bei einem Wirbelsturm im Süden des Landes rund 300 Menschen starben.

Unabhängig von der Schuldfrage und den eingeleiteten Ermittlungen - vor allem gegen den Inhaber des Einkaufskomplexes - warf das Unglück ein grelles Licht auf die oft mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen in einem der ärmsten Länder Südamerikas. Die Fernsehbilder des verzweifelten Kampfes gegen die Flammen wirkten inmitten des Chaos’ fast surreal: Feuerwehrmänner mussten Löcher in den Wasserschläuchen mit den eigenen Stiefeln zudrücken. "Im dem modernen Zentrum fehlten die elementaren Sicherheitseinrichtungen wie Feuerlöscher und Notausgänge, eigentlich war dort nichts korrekt", klagte der Feuerwehrsprecher Enrique Onieva.

"Das Land ist für so eine Tragödie nicht ausgerüstet"

Schwerverletzte und Leichen wurden zum Teil in Kofferräumen von Privatwagen wegtransportiert, deren Fahrer von Polizisten zur Teilnahme an den Rettungsaktionen gezwungen hatten. In Kirchen, auf Sportplätzen und in Nachtclubs wurden Leichen gelagert. Das Fernsehen rief die Bevölkerung zur Spenden von einfachen Dingen wie Gummihandschuhen auf, weil in den Krankenhäusern das Nötigste fehlte. "Hier herrscht ein Chaos, das Land ist natürlicherweise für so eine Tragödie nicht ausgerüstet", sagte der Präsident des Roten Kreuzes in Asunción, Luis Diaz de Bedoya. Dutzende von Leichen wurden bis zur Unkenntlichkeit verbrannt und werden nach Angaben der Behörden kaum zu identifizieren sein. Die Feuerwehr fand einander im Tod umarmende Körper, wie eine Frau und ihr kleines Kind. Das Fernsehen zeigte noch während der Tragödie unzählige weinende und schreiende Menschen, die verzweifelt nach vermissten Angehörigen suchten. "Es gab sehr viel Rauch, und ich habe meine Frau und meine Kinder verloren", sagte ein Mann.

"Sie haben bei Feuerausbruch sofort alle Türen geschlossen", erzählten Überlebende. Jemand habe gerufen: "Niemand verschwindet von hier, ohne vorher zu zahlen." Mit panikverzerrten Gesichtern hätten die Eingeschlossenen von drinnen und Passanten von draußen versucht, mit Tritten und Fäusten Fluchtwege durch die geschlossenen Türen und die dicken Schaufensterscheiben zu öffnen. Auch durch die von innen nachdrückenden Menschenmassen sei das nur wenigen gelungen, berichteten Medien. Erst nach dem Eintreffen der Feuerwehr, "nach sehr vielen Minuten", seien die Türen geöffnet worden, erzählten Überlebende. Der seit Sonntagabend in Untersuchungshaft sitzende Besitzer des Einkaufszentrums "Icua Bolanos", Juan Paiva, wies jede Schuld von sich. Er sprach zunächst von einem Sabotageakt und später von einer "Entscheidung Gottes, die wir alle akzeptieren müssen".

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Emilio Rappold / DPA