Nach ihrer schweren Niederlage bei der vorgezogenen Nationalratswahl vom Sonntag will die konservative österreichische Volkspartei ÖVP an diesem Montagnachmittag nach Ursachen und möglichen Schuldigen forschen. Während die beiden Rechtsparteien FPÖ und BZÖ am Sonntag triumphierten und ein Rekordergebnis von zusammen fast 30 Prozent erzielten, bestraften die Wähler die Partei von ÖVP-Chef Wilhelm Molterer am Sonntag mit nur noch 25,6 Prozent und damit dem schlechtesten Ergebnis in ihrer Parteigeschichte. Zwar hat bei der letztlich von der ÖVP provozierten Neuwahl auch die regierende SPÖ deutlich verloren, doch stellen die Sozialdemokraten mit 29,7 Prozent immer noch die stärkste Fraktion im künftigen Nationalrat.
Der größte Verlierer der Wahl, Molterer, gab im ORF-Fernsehen zu, dass seine Partei eine "schmerzliche, dramatische Niederlage" kassiert habe. Das Ergebnis sei auch "eine klare Niederlage der Art, wie in Österreich bisher von den zwei Parteien Politik gemacht wurde".
Einige Politiker in der ÖVP haben bereits gefordert, dass die Partei nicht wieder in eine Koalition, sondern gleich in die Opposition gehen sollte. Dies würde die Regierungsbildung für SPÖ-Vorsitzenden Werner Faymann praktisch unmöglich machen.
Inzwischen hat eine Analyse der Wählerwanderung des Meinungsforschungsinstituts Sora ergeben, dass die Verluste der beiden bisherigen Koalitionsparteien fast ausschließlich den beiden rechten Parteien zugute kamen. Die Freiheitliche Partei FPÖ und das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) des Kärntner Rechtspopulisten Jörg Haider hatten bei der Wahl am Sonntag die Zahl ihrer Mandate im Wiener Parlament zusammen verdoppelt. Nach der Sora-Analyse wurde die ausländer- und EU-feindliche FPÖ von den Jungwählern bis 30 eindeutig bevorzugt. Erstmals durften am Sonntag auch Jugendliche ab 16 wählen gehen.
SPÖ-Chef Faymann mit Auftrag zur Regierungsbildung
Unterdessen ist klar, dass Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer zunächst SPÖ-Chef Werner Faymann (48) als Chef der größten Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen wird. Doch die Regierungsbildung dürfte für ihn alles andere als leicht werden. Faymann lehnte am Sonntagabend im ORF-Fernsehen die Bildung einer Koalition mit den beiden Rechtsparteien ab. Eine kleine rot-grüne Koalition kommt nach den Verlusten der SPÖ und dem schwachen Abschneiden der Grünen nicht mehr in Frage. Faymann sagte am Abend im ORF-Fernsehen, er würde eine Fortsetzung der großen Koalition mit der ÖVP bevorzugen, wenn diese bereit sei, ihren bisherigen Regierungsstil zu ändern. Molterer wiederum wich allen Journalistenfragen nach seinem möglichen Rücktritt aus.
Jubel gab es am Sonntagabend nur bei den beiden Rechtsparteien. Die Freiheitliche Partei kam auf 18 Prozent (bisher 11,1 Prozent) und das BZO Jörg Haider konnte sein Ergebnis von 2006 mit 10,98 Prozent (2005: 4,1) sogar fast verdreifachen. Schwach schnitten die Grünen ab, die im nächsten Nationalrat mit 9,8 Prozent (minus 1,3 Prozentpunkte) vertreten sind. Die anderen fünf bundesweit angetretenen Parteien scheiterten an der in Österreich für den Nationalrat geltenden Vier-Prozent-Hürde.