Nach einer vorübergehenden Beruhigung der Lage ist es in der ukrainischen Hauptstadt Kiew erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen. Demonstranten warfen am Freitagabend nach Behördenangaben vereinzelt Steine und Brandsätze auf Polizisten. Die Opposition beklagte, sie sei von den Sicherheitskräften mit Blendgranaten attackiert worden. Erneut brannten Barrikaden, wie Fernsehbilder zeigten.
Im Machtkampf stellte Präsident Viktor Janukowitsch der Opposition weitere Zugeständnisse in Aussicht. Der prorussische Staatschef kündigte für kommenden Dienstag eine Regierungsumbildung an sowie eine Änderung umstrittener Gesetze, die die Versammlungs- und Pressefreiheit einschränken. Vorgezogene Neuwahlen - eine Kernforderung der Opposition - erwähnte Janukowitsch in seinen Ankündigungen am Freitag nicht. Seine politischen Gegner zeigten sich unbeeindruckt.
Opposition fordert Vermittler in Kiew
Oppositionspolitiker Vitali Klitschko wies die Zugeständnisse als unzureichend zurück. "Janukowitsch muss gehen", sagte er in Kiew. Zudem forderte der frühere Boxweltmeister die Einschaltung internationaler Vermittler zur Lösung des Konflikts. Der Präsident versuche, sich "um den Preis von Blut und Destabilisierung an der Macht zu halten", sagte Klitschko.
Der ukrainische Oppositionspolitiker Arseni Jazenjuk hat sich für eine Beteiligung des Europarats zur Beilegung des erbitterten Machtkampfs in der Ex-Sowjetrepublik ausgesprochen. "Ohne Vermittlung unserer westlichen Partner wird die politische Krise nur schwer zu beenden sein", sagte Jazenjuk nach einem Treffen mit EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle in Kiew. Denkbar sei etwa ein Sonderausschuss des ukrainischen Parlaments, der in Zusammenarbeit mit dem Europarat "Verbrechen" während der blutigen Straßenproteste untersuche, sagte Jazenjuk. Füle wollte am Samstag seine Gespräche mit den Konfliktparteien in Kiew fortsetzen.
Steinmeier bestellt ukrainischen Botschafter ein
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bestellte aus Protest gegen das brutale Vorgehen der Behörden den ukrainischen Botschafter Pawel Klimkin ein. Regierungssprecher Steffen Seibert verurteilte abermals die Anwendung von Gewalt. "Wir haben große Sympathie mit der überwältigenden Mehrzahl der Demonstranten, die gewaltfrei und friedlich ihre Bürgerrechte einfordern", sagte Seibert. Klar sei aber, "dass es auch gewaltbereite Demonstranten gibt".
Bisher bestätigten die Behörden drei tote Aktivisten. Hunderte Menschen wurden verletzt, darunter auch viele Sicherheitskräfte. Die Proteste waren ausgebrochen, nachdem der Präsident Ende November auf Druck Russlands ein von der Opposition als historische Chance betrachtetes Annäherungsabkommen mit der Europäischen Union auf Eis gelegt hatte.