Triumphale Untertöne verkniff sich US-Präsident George W. Bush im Kreis der 5000 Soldaten, als er das weitgehende Ende der Kampfphase im Irak verkündete. Die Symbolik an Bord des FLugzeugträgers "Abraham Lincoln", der nach neun Monaten Einsatz am Persischen Golf mit voller Kraft gen Heimat fuhr, war dennoch deutlich: Der oberste Befehlshaber persönlich bringt die siegreichen Truppen nach glorreichem Kriegseinsatz zurück. "Mission erfüllt" stand auf einem Banner an der Kommandobrücke des Kriegsschiffes.
Schwierigste Phase könnte noch kommen
Eine Siegeserklärung hat Bush bewusst vermieden. Der militärische Teil des Unternehmens "Regimewechsel im Irak", der die US-Politik beherrscht und die Welt gespalten hat, ist zwar so gut wie vorbei. Doch Bush weiß, dass die schwierigste Phase im Irak mit dem militärischen Erfolg vielleicht erst begonnen hat.
Verunsicherung durch anti-amerikanische Demonstrationen
Die lautstarken anti-amerikanischen Demonstrationen in zahlreichen irakischen Städten machen Regierungsbeamte in Washington nervös. Das sei ganz normal, wenn Menschen erstmals nach 30 Jahren ihre Meinung sagen dürften, beschwichtigt Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Doch viele halten ein bisschen mehr Dankbarkeit für die Befreiung von einem Diktator durchaus für angebracht.
Auch an der Front der Kriegsgegner unter den Verbündeten der USA ist der Frieden noch nicht gewonnen. Mit der offiziellen Erklärung, dass die Kampfphase vorbei ist, will Bush auch zu jenen Brücken schlagen, die den Krieg nicht gewollt haben. Der Wiederaufbau soll mit Hilfe der humanitären Organisationen eine Gemeinschaftsleistung werden, die tiefe Wunden heilen hilft.
Auszüge aus der Rede
"Unsere Nation und unsere Koalition sind stolz auf die Errungenschaft, aber es waren Sie, die Mitglieder des Militärs der USA, die das geschafft haben ... Ihnen ist es zu verdanken, dass unsere Nation sicherer ist. Dank Ihnen ist der Tyrann gestürzt und der Irak frei."
"Die Operation Irakische Freiheit wurde mit einer Kombination aus Präzision, Tempo und Kühnheit durchgeführt, die der Feind nicht erwartet und die Welt vordem noch nie gesehen hat...Wir haben heute größere Fähigkeiten, eine Nation zu befreien."
"Die Anwendung von Gewalt war immer und bleibt auch unser letztes Mittel. Aber alle, Freunde und Feinde gleichermaßen, dürften wissen: Unsere Nation hat eine Mission."
Tiefes Misstrauen
Die US-Regierung ist sich im Klaren, dass das Misstrauen gegenüber den amerikanischen Absichten im Irak, aber auch in vielen Nachbarländern tief sitzt. Sie ist gegen Angriffe und Anfeindungen im Irak gewappnet. Bush hat deshalb auch ganz bewusst nicht offiziell das Kriegsende verkündet. Das würde den Sieger nach den Genfer Konventionen verpflichten, die Kriegsgefangenen unverzüglich freizulassen und die Suche nach Anführern des feindlichen Regimes einzustellen. Im Kampf gegen den Terrorismus wollen sich die Amerikaner aber nicht allzu früh die Hände binden lassen.
Beweise für Verbindung von Irak und El Kaida fehlen immer noch
Dass die US-Regierung den Irak-Krieg als Schlacht in diesem Kampf verstanden wissen wollen, machte der Präsident noch einmal deutlich. "Die Befreiung des Irak ist ein entscheidender Fortschritt im Kampf gegen den Terror. Wir haben einen Verbündeten des El-Kaida-Netzwerks beseitigt", sagte der Präsident, obwohl die US-Regierung den Beweis für die Terroristenverbindung des Saddam-Regimes bis heute schuldig geblieben ist.
Bei den amerikanischen Wählern zeigt die Botschaft dennoch Wirkung. Eine Verbindung zwischen Saddam und den Terroranschlägen wird praktisch nicht in Frage gestellt. Dreiviertel finden, dass Bush den Anti-Terrorkampf und den Irak-Krieg gut gemeistert hat.
Erste Wahlkampfmaßnahmen
Das Weiße Haus hat den Auftritt auf dem Flugzeugträger mit kühlem Kalkül geplant. Die Bilder eines Präsidenten in voller Kampfpilotmontur im Kreis siegreicher Soldaten gelten als mächtige Wahlkampfmunition. In der Zwischenzeit soll das erklärte Kampf-Ende den Amerikanern auch signalisieren, dass der Präsident sich nun wieder mehr den heimischen Problemen widmet, der lahmenden Wirtschaft etwa. Die steht bei allem Schock über die Terroranschläge bei den meisten Amerikanern noch immer an erster Stelle der Sorgenliste.