In Griechenland haben die Bürger bei einem historischen
Referendum über die Annahme oder Ablehnung der Sparforderungen der Geldgeber abgestimmt. Dabei geht es um das letzte - inzwischen
hinfällige - Angebot der Geldgeber aus EU-Kommission, IWF und
Europäischer Zentralbank (EZB). Der Ausgang könnte auch über die
Zukunft der Regierung von Alexis Tsipras entscheiden.
Die Wahlbeteiligung soll nach Berichten griechischer Medien die 40 Prozent übertroffen haben. Damit wäre das Ergebnis rechtskräftig. Die Wahllokale sollten um 19.00 Ortszeit (18.00 MESZ) schließen. Erste aussagekräftige Ergebnisse werden etwa zwei Stunden später erwartet.
"Man kann den Willen des Volkes nicht ignorieren"
Tsipras hatte dazu aufgerufen, mit "Nein" zu stimmen. Dies werde die
griechische Verhandlungsposition stärken. "Man kann den Willen einer
Regierung ignorieren, aber nicht den Willen eines Volkes", sagte er
bei der Stimmabgabe am Sonntag.
Die Opposition und die europäischen Gläubiger warnten, ein "Nein"
werde alles noch schwieriger machen und könne ein Ausscheiden
Griechenlands aus dem Euro und sogar aus der Europäischen Union nach sich ziehen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warb klar für ein Ja.
Ohne neue Kredite droht der schnelle Zusammenbruch
Tsipras hatte die Volksabstimmung zur Verärgerung der Geldgeber
überraschend am Samstag vor einer Woche angesetzt. Die Verhandlungen gerieten danach in eine Sackgasse; noch zur Verfügung stehen Hilfsgelder in Milliardenhöhe für das von der Staatspleite bedrohte Land verfielen am Dienstag. Ohne neue Hilfskredite droht ein
schneller Zusammenbruch der Banken und der Staatsfinanzen.
Das Votum der Bevölkerung gilt aber als wichtiges Signal für eine
mögliche Wiederaufnahme der Gespräche. Mit einer schnellen Rettung
können die Griechen jedoch kaum rechnen. Berlin dämpfte Hoffnungen der Regierung in Athen, zügig frische Hilfsgelder zu erhalten.
Über nennenswerte Zwischenfälle bei dem Referendum wurde zunächst nichts bekannt. Es gebe landesweit keine Probleme, teilte das Innenministerium in Athen mit. Die wichtigsten Politiker des Landes gaben am Morgen ihre Stimmen ab.
Tsipras bezeichnete die Abstimmung als einen Sieg der Demokratie. Der konservative Oppositionsführer Antonis Samaras betonte hingegen: "Wir Griechen entscheiden heute über das Schicksal unseres Landes. Wir sagen ja zu Griechenland und ja zu Europa." Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos rief die Griechen zur Einheit auf. "Unabhängig vom Ausgang der Abstimmung werden wir den schweren Weg, der nach dem Referendum vor uns liegt, gemeinsam gehen müssen", sagte er.
"Ein Moment der Hoffnung für ganz Europa"
Finanzminister Gianis Varoufakis sagte nach der Stimmabgabe: "Es ist
ein Moment der Hoffnung für ganz Europa. Die gemeinsame Währung und die Demokratie können zusammen leben und sie werden es auch."
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schloss ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone nicht aus. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mahnte jedoch vor den Folgen. "Selbst wenn wir eine solche Entwicklung finanz- und währungspolitisch bewältigen können, wäre das Signal eines Grexit an die Länder außerhalb der EU verheerend", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". China, Indien und die USA beobachteten genau, ob die Europäer diese Krise meisterten.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann warnte die Bundesregierung einem Bericht des "Handelsblatts" (Montag) zufolge vor einem Ausfall der Bundesbankgewinne bei einem Euro-Austritt Griechenlands. Dies würde in den kommenden Jahren Milliardenlöcher in die Etatplanung reißen. Bisher habe Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble einen
Bundesbank-Gewinn von jährlich 2,5 Milliarden einkalkuliert.
Die Bundesbank habe zwar 14,4 Milliarden Euro Rückstellungen für die
Risiken der Euro-Krise gebildet. Doch diese würden wohl im Falle
eines "Grexit" nicht ausreichen, schrieb das Blatt. Die
Rückstellungen sollten vor allem mögliche Verluste aus Anleihekäufen
der EZB ausgleichen, die noch griechische Staatspapiere für 20
Milliarden Euro hält. Die Bundesbank ist mit knapp einem Viertel an
den Gewinnen und Verlusten der EZB beteiligt.