Die internationale Gemeinschaft hat zur Beilegung der Krise ohne einen Rückfall in Gewalt aufgerufen. Nach dem Rückzug der schiitischen Hisbollah aus dem Kabinett von Ministerpräsident Saad Hariri müsse eine friedliche Lösung gefunden werden, erklärten die EU und die Arabische Liga am Donnerstag. Libanons Nachbarland Israel reagierte mit erhöhter Wachsamkeit auf die Krise.
Die libanesische Einheitsregierung von Ministerpräsident Saad al-Hariri ist auf Grund eines Streits über ein UN-Tribunal geplatzt. Es wurde nach der Ermordung seines Vaters, des früheren Regierungschef Rafik al-Hariri, eingesetzt. Politische Experten rechnen mit einer langen Hängepartie, bis eine neue Regierung ihre Arbeit aufnehmen kann. Im folgenden einige Fragen und Antworten, wie es im Libanon weitergehen könnte.
Wer regiert das Land jetzt?
Einen Tag nach dem Rücktritt von elf von der radikalen Hisbollah und ihren Verbündeten gestellten Ministern hat Staatspräsident Michel Suleiman Regierungschef Hariri aufgefordert, kommissarisch im Amt zu bleiben. Die Minister hatten die Regierung verlassen, weil sie eine Anklage gegen Hisbollah-Anhänger wegen des Attentats auf Rafik al-Hariri im Jahr 2005 erwarteten. Die radikale Schiitengruppe bestreitet, in den Mord verwickelt zu sein.
Die Verfassung des Landes sieht vor, dass Suleiman nun das Parlament konsultiert, wer neuer Regierungschef werden könnte. Nach einem komplexen System zur Machtverteilung unter den verschiedenen religiösen Gruppen müsste es sich wie bei Hariri um einen sunnitischen Muslim handeln. Politischen Beobachtern zufolge könnte es schwierig werden, einen glaubwürdigen Kandidaten zu finden. Nach der Wahl im Jahr 2009 hatte es fünf Monate gedauert, bis die neue Regierung stand. Jetzt könnte es noch länger dauern.
Was ist so kompliziert bei der Regierungsbildung
Im Libanon konkurrieren Christen, Schiiten, Sunniten und Drusen um die Macht. Hariris pro-westliches und sunnitisch geprägtes Bündnis "14. März" hatte 2009 zwar die Mehrheit der Parlamentssitze errungen. Danach spaltete sich aber der Block von Drusenführer Walid Dschumblatt ab. Nach langem Ringen entstand eine Regierung der nationalen Einheit unter Beteiligung der antiwestlichen Allianz "8. März" mit den Schiiten-Bewegungen Hisbollah und Amal. Zu den konfessionell bedingten Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung kommt noch der ausländische Einfluss auf die verschiedenen Gruppen. Hariris engste Verbündete sind die USA und Saudi-Arabien, die Hisbollah erhält Rückendeckung von Syrien und dem Iran. Syrien und Saudi-Arabien war es im Zuge der Regierungskrise nicht gelungen, zwischen den Lagern zu schlichten.
Was passiert mit dem Tribunal?
Für diesen Monat wird mit Anklageentwürfen im Zusammenhang mit der Hariri-Tötung gerechnet. Hisbollah-Anführer Sajjed Nasrallah hatte erklärt, er gehe fest davon aus, dass einige seiner Leute mit der Tat in Zusammenhang gebracht würden. Die Hisbollah forderte, dem in Den Haag ansässigen Tribunal die Zusammenarbeit zu verweigern. Hariri lehnte dies jedoch ab. Die mit Israel verfeindete Hisbollah hat das Gericht als "israelisches Projekt" bezeichnet.
Was haben die Libanesen zu erwarten?
Politische Beobachter gehen von einer längeren politischen Krise aus. Die politisch und konfessionell bedingten Spannungen könnten auch zu Protesten und Ausschreitungen führen, insbesondere wenn das Tribunal seine Anklagen veröffentlicht. Unwahrscheinlich ist jedoch, dass die Situation eskalieren wird wie zu Zeiten des Bürgerkriegs zwischen 1975 und 1990. Einige Analysten rechnen indes damit, dass es wieder vermehrt zu Bombenanschlägen und politischen Attentaten kommen könnte wie in der Zeit nach dem syrischen Truppenrückzug infolge des tödlichen Anschlags auf Hariri.