Rüstungskosten Der Preis des Krieges

Eine computergesteuerte Bombe kostet bis zu 370 000 Dollar. Ein Marschflugkörper 1,3 Millionen. Die Strategie der USA sieht vor, Saddams Streitkräfte in den ersten 48 Stunden mit der Feuerkraft von 3000 solcher Waffen auszulöschen. Die tägliche Materialschlacht droht den Irak-Feldzug zum teuersten Krieg aller Zeiten zu machen.

Eine Salve - und 60 000 Dollar sind futsch. In einer Minute kann der mobile Raketenwerfer MLRS (Multiple Launch Rocket System) M270 der amerikanischen Armee zwölf M26-Raketen mit jeweils 644 tennisballgroßen Sprenggranaten und Minen abfeuern. Ihr Stahlhagel aus 7728 Sprengkörpern pulverisiert eine Fläche von der Größe mehrerer Fußballplätze und alles, was da kreucht und fleucht. Im Golfkrieg 1991 setzten Amerikaner und Briten 189 solcher MLRS-Werfer ein (Stückpreis: 9,6 Millionen Dollar), die 9660 Raketen verfeuerten. Geschätzte Kosten: über 50 Millionen Dollar. Aber das war nur ein Bruchteil dessen, was in 43 Tagen Krieg verpulvert wurde. Allein die Raketen, Bomben und Granaten kosteten über 2,7 Milliarden Dollar.

Beim nächsten Feldzug gegen den Irak wird das tödliche Feuerwerk um ein Vielfaches teurer. Hauptsache, siegen, "koste es, was es wolle", so verkündete es Präsident George W. Bush. Wenn GIs ins Gefecht ziehen, halten sich ihre Befehlshaber an eine Erkenntnis, die schon den alten Römern vertraut war. "Nervos belli, pecuniam infinitam", sagte Cicero. "Der Krieg bezieht seine Kraft aus unerschöpflichen Geldquellen."

Die stammen aus dem zunehmend mit Schulden finanzierten US-Haushalt. Eben hat Bush den Wehretat 2004 um 17 Milliarden auf 399 Milliarden aufgestockt und sieht bis 2009 eine Steigerung auf über 502 Milliarden Dollar vor. Im neuen Budget sind allerdings die Kosten für einen Krieg gegen den Irak noch gar nicht enthalten. Je nach Dauer rechnet die US-Akademie für Künste und Wissenschaften mit einem rein militärischen Aufwand von 80 bis 140 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Im "Wüstensturm" 1991 sind insgesamt 8,5 Milliarden Kriegskosten verweht*.

Schon 1991 ging dem Bodenkrieg eine Luftkampagne

mit etwa 40 000 Angriffsflügen voraus. Dabei wurden jeden Tag bis zu 85 Prozent der Bomben-Tonnage abgeworfen, die täglich im Zweiten Weltkrieg auf Deutschland und Japan fiel. Diesmal sollen Iraks Streitkräfte mehr abbekommen als jede Armee zuvor: Der Kriegsplan sieht vor, dass in den ersten 48 Stunden bis zu 3000 computergesteuerte Bomben und Raketen im Zweistromland einschlagen werden. "Wir werden gleichzeitige Abwürfe von Hunderten, vielleicht Tausenden von Gefechtsköpfen erleben", sagt Harlan Ullman vom Strategie-Institut CSIS. "Der Druck wird anhalten, bis uns die Ziele ausgehen."

Preis pro Cruise Missile: 1,3 Millionen Dollar. Die ferngesteuerten Marschflugkörper wie die "Tomahawk" werden von Zerstörern, U-Booten und B-52-Bombern aus gestartet und verfehlen ihr Ziel selten um mehr als 30 Meter. Im Golfkrieg wurden 332 eingesetzt, als sie noch eine Million Dollar pro Stück kosteten. Heute stehen den USA über 5000 Marschflugkörper zur Verfügung. Für ihre Beschaffung haben sie bisher insgesamt fast 14 Milliarden Dollar aufgewandt.

Das grösste Arsenal aller Zeiten steht den US-Streitkräften zur Verfügung. Sie können, wie einst General Colin Powell forderte, "alle Werkzeuge aus dem Werkzeugkasten" einsetzen. Angefangen vom Stealth-Bomber B-2, dem teuersten Flugzeug aller Zeiten, Stückpreis: 2,1 Milliarden Dollar. Derzeit verfügen die USA über 21 Maschinen dieses Typs. Daneben wirkt die ebenfalls radarunauffällige F-117 wie ein Schnäppchen. Die 59 Maschinen kosten je 43 Millionen Dollar. Hinzu kommen die immer noch schlagkräftigen strategischen Uralt-Bomber B-52 (je 74 Millionen Dollar) und Tausende Kampfflugzeuge von Air Force und Navy wie die F-16 "Falcon" (19 Millionen), F-14 "Tomcat" (131 Millionen), F/A-18 "Super Hornet" (89 Millionen Dollar). Der neueste Kampfjet F-22 "Raptor" kostet pro Stück 205 Millionen Dollar und soll Zug um Zug die sechsmal preiswertere F-15 ersetzen.

Auch die Army wird teuerstes Gerät ins Feld führen:

Das mobile Abwehr-Raketensystem "Patriot" (Stückpreis 217 Millionen), Kampfhubschrauber Typ AH-64D "Apache" (17 Millionen), den tief fliegenden Panzerjäger A-10 "Warthog" (11,8 Millionen) sowie die bewährten Panzer M-1 "Abrams" (3,1 Millionen Dollar). Die Marineinfanterie will ihren unfallträchtigen neuen Senkrechtstarter V-22 "Osprey" (101 Millionen Dollar) seiner Feuertaufe aussetzen.

Ein gefürchteter Killer ist die 15 000-Pfund-Bombe BLU-82, mit 27 300 Dollar vergleichsweise billig. Sie wird aus einem Transportflugzeug gerollt und bringt kurz über der Erdoberfläche ein Gasgemisch zur Explosion, das im Umkreis von Hunderten von Metern durch Überdruck und Sauerstoffentzug alles tötet. Die GIs nennen sie "Daisy Cutter" - Gänseblümchenschnitter. Neu im Arsenal ist die "E-Bombe": Sie schickt im Zielgebiet elektromagnetische Stöße im hohen Mikrowellenbereich aus und setzt sämtliche elektronischen Anlagen außer Betrieb - Flugabwehrradar, Lenkwaffen, sogar Stromumspannwerke. Was diese Geheimwaffe kostet, ist unbekannt.

Um sich den Waffen-Wahnsinn klar zu machen,

genügt ein einfacher Vergleich. Von der Streubombe CBU-87 wurden im Golfkrieg über 10 000 Stück für 139 897 935 Dollar abgeworfen. Dafür könnten fast zehn Millionen Kinder in der Dritten Welt gegen Polio, Masern und Tetanus geimpft werden. Der Gegenwert von nur einer "Bunkerbrecher"-Bombe GBU-28 (145 000 Dollar) reichte für die Heilung von 2000 Tuberkulosekranken in Indien. Eine einzige "Tomahawk" weniger, und in afrikanischen Dürrezonen könnten 650 Brunnen gebaut werden. Der Betrieb eines US-Flugzeugträgers der "Nimitz"-Klasse verschlingt im Monat 13 Millionen Dollar. Die USA lassen gegen den Irak fünf der gigantischen Kampfplattformen anrücken. Macht zusammen 65 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Die Arbeit der UN-Waffeninspektoren im Irak von 1991 bis 1998 (UNSCOM) kostete pro Jahr nur halb so viel.

Mehr und mehr setzen US-Strategen auf präzisionsgesteuerte Waffen mit Computer-Lenksystemen, die entweder mit Hilfe von Navigationssatelliten (GPS) oder Laserleitstrahlen ihr Ziel finden. 1991 waren es nur neun Prozent, im Irak 2003 werden es mehr als 75 Prozent sein. Da werden "dumb bombs" (dumme Bomben) wie die 2000 Pfund schwere GBU-24 durch einen Ziellenk-Aufsatz zu "smart bombs" (intelligenten Bomben) - und ihr Stückpreis steigt von 6000 auf 55 600 Dollar. Im Schnitt, ermittelte das Revisionsbüro des US-Kongresses (GAO), sind die Kosten von Laserlenksystemen 48-mal höher als die von Freifall-Bomben.

Treffsicherheit und Zuverlässigkeit der Waffensysteme erhöhten sich nicht so sehr wie die Preise. Immerhin starb im Golfkrieg jeder vierte gefallene US-Soldat durch "friendly fire" (Eigenbeschuss). Selbst die teuersten Super-Jets enttäuschten die Rechnungsprüfer 1991: "Kein teures Flugzeug zeigte überlegene Leistungen bei allen, noch nicht einmal bei den meisten Einsätzen, und kein kostengünstiges Flugzeug war generell schlechter."

So erklärt sich, warum auch im Kosovo-Luftkrieg 1999, wo zu etwa 30 Prozent "intelligente Bomben" abgeworfen wurden, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen der US-Piloten mehr als 500 Zivilisten getötet wurden. In Afghanistan, wo 2001 der Anteil der Präzisionswaffen schon bei zwei Dritteln lag, waren es 850 bis 1300.

"Im Kosovo-Krieg", sagt der Harvard-Rüstungsexperte

Jeffrey Record, "war der Schutz der eigenen Streitkräfte höher angesetzt als die Erfüllung des militärischen Auftrags." So kam es, dass "Tonne für Tonne im gleichen Umfang Zivilisten getötet wurden wie beim Luftkrieg über Vietnam", konstatiert der Luftwaffenkenner Fred Kaplan.

Ihre Materialschlachten mit Waffen, die immer häufiger aus einer für den Angreifer sicheren Distanz abgefeuert werden, begründen amerikanische Militärs mit dem Schutz ihrer Soldaten. Der ehemalige Nato-Oberbefehlshaber General Wesley Clark: "Wer Verluste in Kauf nimmt, kann seine Karriere vergessen." Wie viele tausend Iraker, Militärs wie Zivilisten, im Stahlhagel umkommen, bereitet den Bush-Kriegern keine schlaflosen Nächte. 1991 fielen 383 Amerikaner und 40 000 Iraker. 2003 bereiten sich die UN darauf vor, dass 500 000 Kranke und Verletzte sowie drei Millionen Flüchtlinge versorgt werden müssen. Über die Zahl der Toten schweigt sich die Studie aus.

Amerikas Rüstungsindustrie träumt schon von hohen

Gewinnen. Denn alles, was verballert oder abgenutzt wird, muss ersetzt werden. Vor einigen Jahren stand die Firma Raytheon kurz vor dem Bankrott. Dann brachten Kosovo und Afghanistan neue Aufträge für Cruise Missiles und andere Raketen. Heute liegt Raytheon auf Rang drei unter den Waffenfirmen der USA. Die anderen großen Nutznießer: Lockheed Martin (baut F-16, "Apache" und "Hellfire"), Boeing (F-18, C-17-Transporter), General Dynamics (U-Boote, Zerstörer) sowie Northrop Grumman (F/A-18, B-2).

"Früher ging es bei einer Entscheidung über Krieg immer um den Blutzoll und die finanziellen Einbußen", erklärt der Chef des Washingtoner Militärforschungsinstituts globalsecurity.com, John Pike. "Heute geht es im Wesentlichen um Geld. Darum ist es für Amerika viel leichter geworden, in den Krieg zu ziehen - was vielleicht erklärt, warum wir uns seit zwölf Jahren fast permanent im Kriegszustand befinden."

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Mario R. Dederichs