Hoffen und Bangen um die verbliebenen Sahara-Geiseln: Nach der geglückten Befreiung von 17 entführten Touristen in Algerien ist das Schicksal ihrer 15 Leidensgenossen weiter ungewiss. Die Schweiz entsandte nach Angaben des Außenministeriums vom Donnerstag zwei Terrorismusexperten in die algerische Hauptstadt, um Informationen über ihre vermissten 4 Landsleute zu sammeln. In der Gewalt der Geiselnehmer sind nach wie vor 10 Deutsche, 4 Schweizer und 1 Niederländer. Nach algerischen Pressemeldungen wäre eine Befreiung der verbliebenen 15 Europäer eine "viel gefährlichere Aktion" als das militärische Vorgehen am Dienstag.
Befreiungsaktion am Dienstag
Knapp drei Monate nach Beginn des Entführungsdramas hatte das algerische Militär am Dienstag 17 der 32 europäischen Touristen befreit. Unter ihnen waren 6 Deutsche, 10 Österreicher und 1 Schwede. Sie waren am Mittwochabend in Salzburg und in Köln angekommen.
Details über das Martyrium
Unterdessen berichtete der Österreicher Gerhard Wintersteller, eine der befreiten Geiseln, erstmals Details über das Martyrium der verschleppten Europäer. In einem Exklusiv-Interview des "RTL Nachtjournal" sagte er in der Nacht zum Donnerstag: "Es war so, dass von der Gefangennahme weg wir jeden Tag auf der Flucht waren, sind ohne Licht in der Nacht gefahren." Sie seien jede Nacht auf der Flucht gewesen. "Wir waren am Ende unserer physischen Kräfte, konnten einfach nicht mehr." Wintersteller wollte nichts zu den Umständen der Geiselhaft und der Befreiungsaktion sagen. Andere Betroffene wollten sich mit Rücksicht auf die Leidensgenossen zunächst nicht äußern.
Überglücklich waren die Befreiten und ihre Angehörigen. "Es ist ganz toll, ganz super, dass sie wieder da ist", sagte Hartmut Simon, der Vater einer der deutschen Entführten, am Donnerstag. "Wir müssen jetzt erst einmal begreifen, dass sie wieder da ist."
Behörden schweigen aus Rücksicht
Die Bundesregierung setzte am Donnerstag ihre Bemühungen um die 15 noch Verschleppten fort. Einzelheiten wollte ein Sprecher des Auswärtigen Amts mit Rücksicht auf die Betroffenen nicht nennen. Die Angehörigen aller 16 Deutschen waren bereits am Dienstag über das Schicksal der Befreiten sowie der Vermissten informiert worden. Die Geiseln waren nach Angaben des algerischen Armee-Generalstabs in den Händen der islamistischen Terrorgruppe GSPC. Unklar waren nach der Befreiung der Wüstenurlauber zunächst die Motive der Entführer.
Nach einem Bericht des "ZDF-Morgenmagazin" sollen die Behörden in Algerien über den Verbleib der 15 Geiseln Bescheid wissen. Ein Sprecher der Bundesregierung hatte am Vortag gesagt, die noch vermissten Sahara-Touristen befänden sich "in einer prekären Situation".
Terroristen sind isoliert
Die 15 verschleppten Touristen sollen in der Bergregion von Tamelrik etwa 150 Kilometer von Illizi gefangen gehalten werden. "Zurzeit sind die Terroristen von der Welt abgeschnitten. Keiner kann jedoch ihre Reaktionen abschätzen, wenn sie erfahren, dass die 17 Geiseln in der Gewalt ihrer Kampfgenossen befreit wurden", schrieb die Tageszeitung "El Watan" am Donnerstag. Die glücklich abgelaufene Aktion am Dienstag sei in erster Linie Aufklärungsflugzeugen und Informationen der Wüstenbewohner vom Stamm der Tuareg zu verdanken. "Alles musste sehr schnell gehen, bevor die Entführer merkten, dass die Armee in Aktion getreten war."
Zweite gewaltsame Befreiung steht bevor
Nach Informationen der Tageszeitung "Le Quotidien d’ Oran" steht eine gewaltsame Befreiung der 15 noch in der Sahara verbliebenen Geiseln kurz bevor. Die Militärs seien allerdings "ernsthaft um die Sicherheit der Verschleppten besorgt", schrieb "El Watan".