Der Internationale Währungsfonds (IWF) ruft Deutschland indirekt dazu auf, das Spartempo zu verlangsamen und so die weltweit lahmende Konjunktur zu stützen. "Die Länder, die sehr niedrige Zinsen haben oder bei denen andere Faktoren angemessenen fiskalischen Handlungsspielraum schaffen und von denen einige in der Eurozone sind, sollten das Tempo ihrer kurzfristigen Haushaltskonsolidierung überdenken", heißt es in der Aktualisierung des IWF-Weltwirtschaftsausblicks, die am Dienstag veröffentlicht wurde.
Der IWF nennt Deutschland nicht ausdrücklich. Doch unter den großen Euro-Volkswirtschaften ist die Bundesrepublik das einzige Mitglied, das nicht unter dem Druck der Märkte steht und bei Defizit und Schuldenstand im Vergleich mit anderen Staaten der Währungsunion solide Daten vorweisen kann.
Doch der Weltwährungsfonds warnt auch generell davor, allzu sehr in den aktuellen weltweiten Konjunkturabschwung hineinzusparen. "Übertreibungen bei der kurzfristigen fiskalischen Anpassung mit dem Ziel, zyklische Einnahmeverluste auszugleichen, wird die Wirtschaftsaktivität weiter hemmen, Zustimmung in der Bevölkerung für Anpassungen verringern und das Marktvertrauen unterminieren."
Ein forcierter Defizitabbau in den Abschwung hinein sei nicht nur schlecht für Wachstum, sondern für das Marktvertrauen allgemein, erklärt der IWF zudem in der Aktualisierung des Fiskalmonitors, einem weiteren Bericht, den er am Dienstag veröffentlichte. In Zeiten extremer Marktschwankungen würden die mittel- bis langfristigen Vorteile von Haushaltskonsolidierung weniger wahrgenommen als die kurzfristig konjunkturdämpfenden Wirkungen der Sparbemühungen.
Wachstumsprognose für Deutschland gesenkt
In seinem aktualisierten Weltwirtschaftsausblick prognostiziert der IWF deutlich niedrigere Wachstumswerte als noch im September. In Deutschland rechnen die Ökonomen dieses Jahr mit einem Mini-Wachstum von 0,3 Prozent, im Ausblick von September waren sie noch von 1,3 Prozent ausgegangen. Für 2013 sagen die Volkswirte aus Washington 1,5 Prozent voraus, genauso viel wie im Septemberausblick.
Mit diesen Werten steht Deutschland unter den großen Euro-Volkswirtschaften noch vergleichsweise gut da. Frankreich wächst dem IWF zufolge 2012 nur um 0,2 Prozent, 2013 sollen es dann 1,0 Prozent sein. Italien und Spanien stürzen den IWF-Projektionen zufolge im laufenden Jahr mit einem Negativwachstum von -2,2 Prozent und -1,7 Prozent tief in die Rezession. Auch 2013 werden beiden Volkswirtschaften nach Fonds-Einschätzung schrumpfen, Italien um -0,6 Prozent und Spanien um -0,3 Prozent. In den 17 Staaten der Eurozone insgesamt rechnet der IWF 2012 mit -0,5 Prozent und 2013 mit einem leichten Plus von 0,8 Prozent.
"Kurzfristiger Ausblick deutlich schlechter geworden"
Auch die Wachstumsraten für andere Weltregionen hat der IWF deutlich herunter revidiert, allerdings nicht in den negativen Bereich. So erwartet der Fonds in den USA 2012 und 2013 ein Wachstum von 1,8 Prozent und 2,2 Prozent, bei den Schwellenländern sind es 5,4 Prozent und 5,9 Prozent.
"Der kurzfristige Ausblick ist deutlich schlechter geworden", schreiben die Ökonomen. "Der Hauptgrund dafür ist die Eskalation der Eurokrise." Der Fonds erwartet, dass den Ländern von Mittel- und Osteuropa wegen der engen Handels- und Finanzverflechtungen die größten Ansteckungseffekte drohen.
Doch der IWF warnt auch ausdrücklich die USA und Japan, die beide unter Überschuldung leiden und bislang keinen politischen Konsens zur Rückkehr zur nachhaltigen Haushaltspolitik gefunden haben. "Die Vereinigten Staaten und Japan sollten beide daran arbeiten, einen glaubwürdigen mittelfristigen Konsolidierungsplan zu erarbeiten, denn keines der beiden Länder kann sich langfristig auf seinen Status als sicherer Hafen verlassen."
Höhere Brandschutzmauer gefordert
In seinem Globalen Finanzstabilitätsbericht, dem dritten am Dienstag veröffentlichten Report, fordert der IWF zudem höhere Brandmauern zur Eindämmung und Bekämpfung von Krisen in einzelnen Eurostaaten. Insbesondere sorgt sich der Fonds um die Einsatzmöglichkeiten des befristeten Euro-Rettungsfonds EFSF.
"Das jüngste Anwachsen von Risikoaufschlägen (bei Anleihen) des EFSF und die Entscheidung von S&P Mitte Januar, das AAA-Rating der Einrichtung abzuwerten, deuten darauf hin, dass das derzeitige Finanzierungsmodell der Einrichtung unter Druck sein könnte", heißt es in dem Bericht. Aus diesem Grund treten die Fondsökonomen dafür ein, dass die Mittel des EFSF und des dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) so bald wie möglich zusammengebracht werden sollten. Außerdem fordert der IWF, dass eine paneuropäische Einrichtung geschaffen werden sollte, die sich direkt an darbenden Banken beteiligen kann.
"Außerdem gibt es weiter eine Schlusslichtgruppe von Banken mit niedriger Kapitalbasis, schlechter Profitabilität und Verletzbarkeit gegen Finanzierungsschocks, die den Aufschwung behindern", heißt es in dem Finanzstabilitätsbericht. "Einige davon müssen restrukturiert, rekapitalisiert oder abgewickelt werden."