Österreich Ex-Kanzler vor Gericht: So lief der Prozessauftakt für Sebastian Kurz

Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz erscheint vor dem Straflandesgericht in Wien
Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz erscheint vor dem Straflandesgericht in Wien
© Georg Hochmuth / APA / DPA
Von der Regierungsbank auf die Anklagebank: Drei Tage lang steht Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz in Wien vor Gericht. Er hat gelogen, sagen die Ankläger. Er selbst behauptet das Gegenteil. Was stimmt denn nun?

Zwei Jahre nach seinem unrühmlichen Abgang ist Österreichs Ex-Kanzler und -ÖVPler Sebastian Kurz zurück in Wien: als Familienvater, Unternehmer und Berater. Der politische Wunderwuzzi, der eigentlich mit geschönten Umfragen und Zeitungsanzeigen an die Spitze der österreichischen Politik gemausert hat, hat sich neu erfunden. Als Chef eines Cybersecurity-Unternehmens befehligt er 50 Angestellte in Tel Aviv. Zudem führt er eine Beratungs- und Investmentfirma. Als Phönix, der aus der Asche auferstanden ist, so liest sich das. Nur wartet in Wien schon der nächste Aschehaufen. Denn Kurz ist nicht geschäftlich in der Landeshauptstadt unterwegs.

Den Ex-Kanzler erwartet ein Termin am Wiener Straflandesgericht. Kurz soll sich dort drei Tage lang verantworten. Die Anklageschrift ist 108 Seiten lang. Es geht um Korruption, Jobgeschacher und Lügen. Der Vorwurf: Österreichs Ex-Kanzler soll bei der Frage des Chefpostens und bei der Besetzung der Aufsichtsräte der Staatsholding Öbag die Strippen gezogen und einen Vertrauten an die Spitze gesetzt haben. Das Unternehmen managt die milliardenschweren Unternehmensbeteiligungen des Staates, 2022 sollen es laut Bilanz 30 Milliarden Euro gewesen sein. Der Vorsitz ist einer der begehrtesten Stellen in der österreichischen Wirtschaft.

Ein U-Ausschuss kümmerte sich 2020 um die Fragen und wollte wissen, wie stark Kurz an der Postenbesetzung bei der Öbag beteiligt war. "Eingebunden im Sinne von informiert", lautete Kurz' knappe Antwort damals. Die Opposition glaubte ihm nicht und erstattete Anzeige.

Drei Jahre Knast für eine Lüge

Heute sitzt Kurz im vollen Gerichtssaal. Der Andrang war groß, um die 100 Journalisten bevölkerten den Raum, selbst der Angeklagte wirkte überrascht. Österreichische Medien berichteten, dass die Plätze schon eine Woche vor dem Prozess komplett "ausreserviert" gewesen sein soll.

Zu seiner Aussage steht Kurz noch immer. Vor dem Termin sagte er: "Ich hoffe doch auf ein faires Verfahren und darauf, dass sich am Ende des Tages die Vorwürfe als falsch herausstellen." Sein Anwalt sprach zum Prozessauftakt von "Scheinargumenten" und forderte einen anderen Richter. Sein Befangenheitsantrag wurde aber abgelehnt, der Prozess geht weiter.

Der Anklagevertreter erklärte, der damalige Finanzminister habe Personalvorschläge für die Öbag liefern dürfen. Endgültig entschieden habe der Kanzler. Dass Kurz nur informiert war, sei demnach falsch. Er habe seinen Vertrauten Thomas Schmidt an die Spitze der Öbag gesetzt, heißt es von den Ermittlern der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die einen "Beweisring" aus Chatnachrichten anführen, zu denen auch Schmidt beigetragen habe. Diese seien glaubwürdig, weil Schmidt, ebenfalls angeklagt, den Kronzeugenstatus anstrebe.

Der damalige Kabinettschef Bernhard Bonelli, der neben Kurz auf der Anklagebank sitzt, soll laut Anklage Bescheid gewusst haben. Er soll bei Besprechungen zur Postenbesetzung dabei gewesen sein, den Aufsichtsrat vermittelt, aber gewusst haben, dass der Kanzler die endgültige Entscheidung trifft und Kandidaten abgelehnt habe.

Kurz habe demnach bei der Befragung vor dem U-Ausschuss gelogen, sind die Ankläger überzeugt. Sollte sich das Gericht auch so befinden, droht Österreichs Ex-Kanzler eine dreijährige Haftstrafe.

Österreichs korrupter Staatsapparat

Nur stellt sich dann die Frage: Warum hat der charismatische Ex-Kanzler das getan? Auch darauf gibt es bereits eine Antwort: Die Ankläger gehen davon aus, dass Kurz sein Ansehen schützen wolle.

Auf die Schliche kamen die Ermittler Kurz, weil sein damaliger Koalitionspartner Heinz-Christian Strache (FPÖ) in einem heimlich aufgenommenen Video (Ibiza-Affäre) Österreichs größte Boulevardzeitung an eine vermeintliche russische Oligarchin verschachern wollte. Die Ermittler vermuteten Korruption im österreichischen Staatsapparat. Der Prozess, der am Mittwoch in Wien gegen Kurz und zwei weitere Angeklagte startete, ist Teil einer großen Aufarbeitung aus der Zeit als der charismatische ÖVPler die Geschicke der Alpenrepublik lenkte.

Quellen: "Der Standard", "Die Presse", mit Material von DPA und AFP