Nur eine Woche nach dem Friedensgipfel von Akaba erlebt der Nahe Osten einen neuen Ausbruch der blutigen Gewalt. Ein palästinensischer Selbstmordattentäter sprengte sich am Mittwoch in einem voll besetzten Passagierbus in Jerusalem in die Luft und riss mindesten 16 Israelis mit in den Tod. Dutzende weitere erlitten zum Teil schwere Verletzungen. Wenig später feuerten israelische Kampfhubschrauber in Gaza erneut Raketen auf ein Fahrzeug mit Hamas-Aktivisten ab und töteten mindestens sechs Insassen.
Ein Augenzeuge berichtete nach dem Anschlag in Jerusalem, der Bus sei "von der Wucht der Explosion förmlich zerrissen worden". Der Jerusalemer Polizeichef Micki Levy sprach von einem besonders großen Sprengsatz. Zu dem Blutbad bekannte sich die der bewaffnete Arm der Hamas, Issedin al Kassam.
Wenige Minuten später beschossen nach Augenzeugenberichten Apache- Helikopter das Fahrzeug des führenden Hamas-Aktivisten Massaud Titi in Gaza. Die Insassen seien getötet worden.
Blutige Vergeltung geschworen
Nur Stunden zuvor hatte der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon angekündigt, Israel wolle ungeachtet der scharfen internationalen Kritik an der versuchten Tötung des Hamas-Führers Abdel Asis Rantisi die Liquidierungen fortsetzen. Die radikal-islamische Hamas-Bewegung hatte am Dienstag nach dem israelischen Raketenangriff in Gaza blutige Vergeltung geschworen.
Scharon sagte, die Armee werde "weiterhin überall gegen den Terrorismus vorgehen". Aus israelischen Sicherheitskreisen verlautete, keiner der Hamas-Führer sei von nun an immun, selbst der Organisationsgründer Scheich Ahmed Jassin stelle ein mögliches Ziel dar.
Massive Kritik aus aller Welt zurückgewiesen
Während einer Kabinettssitzung in Jerusalem wies Scharon die massive Kritik aus aller Welt zurück und sagte, er sehe die Militäroperationen nicht als Hindernis für eine Friedenslösung. Sie verbesserten sogar die Chancen für einen Frieden, weil es keine Fortschritte bei den Verhandlungen geben könne, solange der Terror andauere, meinte der Premier. Scharon betonte, er habe den USA und den Palästinensern noch vor dem Gipfel in Akaba klar mitgeteilt, dass er "im Kampf gegen den Terror zu keinen Kompromissen bereit" sei.
Israelische Kampfhubschrauber hatten am Dienstag den Fahrzeugkonvoi von Rantisi mit mehreren Raketen beschossen. Er entkam leicht verletzt. Drei Palästinenser - darunter eine Mutter und ihre kleine Tochter - wurden aber getötet und 60 Menschen verletzt. Drei weitere Zivilisten, darunter erneut ein Kind, wurden kurz darauf getötet, als Soldaten ein Stadtviertel nordöstlich von Gaza beschossen. Die Armee antwortete damit auf den Beschuss der israelischen Stadt Sderot mit fünf Kleinraketen des Typs "Kassam".
Die Palästinenser reagierten mit heller Empörung auf die neuen Militäraktionen und warfen Israel vor, die Verwirklichung des internationalen Nahost-Friedensplans zu torpedieren. US-Präsident George W. Bush äußerte sich "zutiefst besorgt", unterstrich jedoch seine Entschlossenheit, den Weg zum Frieden im Nahen Osten fortzusetzen.
Auch der ägyptische Geheimdienstchef Omar Suleiman bemühte sich am Mittwoch während eines Besuchs in Ramallah um eine Beruhigung der gespannten Lage in den Palästinensergebieten. Er traf mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat, Ministerpräsident Mahmud Abbas und Sicherheitschef Mohammed Dachlan zusammen. Anschließend verließ der Arafats Hauptquartier mit einem Brief an den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak.
"Spirale von Gewalt und Gegengewalt beenden"
Mubarak forderte Scharon am Mittwoch dringend dazu auf, mit Abbas zusammenzuarbeiten. Dies sei absolut notwendig, um Frieden und Stabilität im Nahen Osten zu erreichen, sagte er in Kairo bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Er sei schockiert über den Attentatsversuch gegen Rantisi, fügte Mubarak hinzu und rief beide Seiten auf, die Spirale von "Gewalt und Gegengewalt" zu beenden.