Spanien Die "guten Terroristen" von der ETA

Mit den jüngsten Anschlägen in Spanien hat die ETA nicht nur alle Spekulationen über ihr Ende widerlegt, sondern auch eine neue Taktik angedeutet. Vermutlich will die Organisation sich von den Methoden des islamistischen Terrors abgrenzen.

Passanten stoben verschreckt auseinander, Kinder weinten, mancherorts brach unter den Anwohnern Panik aus. In sieben spanischen Städten explodierten zeitgleich Bomben, mit denen die baskische Untergrundorganisation ETA Angst und Schrecken über ganz Spanien verbreitete. Und nicht nur das: Die Separatisten überraschten auch die Experten. Kaum jemand hatte der ETA eine solche ausgeklügelte Serie von Bombenanschlägen zugetraut.

Anschein der landesweiten Präsenz

Viele Spanier waren davon ausgegangen, dass die Gefahr des ETA-Terrors weitgehend überwunden sei. Fast die gesamte ETA-Führung war in den vergangenen Monaten festgenommen, die Terrorzellen waren zerschlagen worden. Mit den Anschlägen am Montag, dem spanischen "Tag der Verfassung", widerlegte die ETA alle Spekulationen über ihr angeblich bevorstehendes Ende. Obendrein erweckte sie den Anschein, von Bilbao bis Màlaga im ganzen Land präsent zu sein.

Für diesen Propaganda-Effekt legte sie ihre Sprengsätze gezielt in belebten Lokalen - mit Vorliebe an Plätzen, die den Namen "Plaza de España" (Spanien-Platz) tragen. In Avila (Mittelspanien) explodierte eine ETA-Bombe 100 Meter von der Kathedrale entfernt, in León (Nordspanien) in einem Lokal im Kneipenviertel oder in Alicante (Ostspanien) an der Strandallee, der Flaniermeile der Touristen.

Die Polizei hält es jedoch für ausgeschlossen, dass die ETA in all den Städten, in denen sie jetzt zuschlug, über Terrorzellen verfügt. Wahrscheinlich seien zwei "mobile Kommandos" das Land mit Autos abgefahren und hätten die Bomben gelegt, hieß es in Ermittlerkreisen. Für den Aufbau dieser Kommandos musste die ETA, wie die Zeitung "ABC" berichtet, praktisch bei Null anfangen. Der bisherige Terror-Apparat gilt als "verbrannt", weil die Polizei Informationen darüber sichergestellt hat.

Hinweise auf neue Taktik

Die jüngsten Anschläge deuten darauf hin, dass die ETA eine neue Taktik eingeschlagen hat. Sie setzt Bomben mit geringer Sprengkraft ein und warnt vor den Explosionen. Damit will die Organisation anscheinend zu den blutrünstigen Methoden des islamistischen Terrors auf Distanz gehen. Die ETA-Bombenleger wollen, so vermuten spanische Kommentatoren, sich als "gute Terroristen" präsentieren, die das Leben Unbeteiligter schonen wollen.

Der baskische Philosophie-Professor Carlos Martínez Gorriaràn warnt jedoch davor, sich von dieser Propaganda-Strategie täuschen zu lassen. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die ETA wieder zu Mordattentaten greift." Der Wissenschaftler wirft der Regierung vor, seit den Anschlägen islamistischer Terroristen vom 11. März in Madrid den Kampf gegen die ETA vernachlässigt zu haben. "Die ETA-nahe Partei Batasuna kann ungehindert Büros eröffnen, Treffen und Pressekonferenzen abhalten, obwohl sie für illegal erklärt wurde."

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Hubert Kahl/DPA